Waffenrecht, Vorratsdatenspeicherung etc. - Marco Buschmann und Nancy Faeser streiten über diverse rechtspolitische Vorhaben. Beim Sanktionenrecht steigt nun weißer Rauch auf. Die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe kommt.
Das Arbeitsverhältnis zwischen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und ihrem Justiz-Ressortkollegen Marco Buschmann (FDP) ist in letzter Zeit alles andere als harmonisch. Aus dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) heißt es, das Bundesjustizministeriums (BMJ) blockiere beim Waffenrecht, die Innenministerin dagegen bremst ihren Kollegen bei dessen Vorschlag für ein "Quick Freeze" Instrument anstelle der bisherigen Vorratsdatenspeicherung.
Bei einem weiteren Streitthema, nämlich Buschmanns Vorschlag für eine Neuregelung der Ersatzfreiheitsstrafe, hat man sich nunmehr nach LTO-Informationen verständigt. Danach bleibt Buschmanns ursprünglicher Gesetzesvorschlag weitgehend unverändert. Lediglich eine Ergänzung in Bezug auf die Evaluierung des Vorhabens wird auf Wunsch des BMI in den Entwurf aufgenommen.
Der Bundesjustizminister Buschmanns hatte seinen Referentenentwurf zur Reform des Sanktionenrechts im Juli präsentiert. Unter anderem sieht dieser eine Veränderung beim Umrechnungsmaßstab von einer Geldstrafe in eine Ersatzfreiheitstrafe in § 43 Strafgesetzbuch (StGB) vor.
Halbierung Ersatzfreiheitsstrafe als Beitrag zur Resozialisierung
Bisher gilt für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe nach § 43 S. 2 StGB ein Umrechnungsfaktor von 1:1. Wer also zu 30 Tagessätzen zu einem beliebigen Betrag verurteilt wurde, musste bei Nichtzahlung stattdessen 30 Tage in Haft. Nach den Plänen des Bundesjustizministeriums (BMJ) soll sich die Ersatzfreiheitstrafe nun halbieren, indem der Umrechnungsfaktor auf 2:1 gekürzt wird. 30 nicht gezahlte Tagessätze entsprechen dann nur noch 15 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe.
Der Grundgedanke der geplanten Gesetzesänderung ist die Annahme, dass der Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen keinen Beitrag zur Resozialisierung leistet, andererseits aber ein gänzlicher Verzicht auf jede Ersatzfreiheitsstrafe dazu führen würde, dass massenhaft Verurteilungen folgenlos blieben. Die Reform soll zudem zur Entlastung der Staatskasse durch weniger belegte Haftplätze führen. Dem BMJ zufolge könnten die Länder 60 Millionen Euro im Jahr einsparen, wenn die Ersatzfreiheitsstrafe halbiert würde. Und Laut BMJ "kann und soll" die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe es der verurteilten Person aber auch erleichtern, deren Vollstreckung ganz zu vermeiden.
Gegen diese Regelung hatte u.a. die Bundesinnenministerin scharf protestiert. Sie warf Buschmann laut Bericht der Süddeutschen Zeitung vor, nur eine bestimmte Tätergruppe, wie z.B. Schwarzfahrer im Blick zu haben, die ihre Geldstrafe nicht bezahlen können. Ersatzfreiheitsstrafen beträfen jedoch oft auch Delikte gegen Frauen, wie z.B. Körperverletzungen oder Stalking. Und auch Reichsbürger würden von einer Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe profitieren. Schließlich bezahlten diese ja grundsätzlich keine Geldstrafen an einen Staat, den sie nicht anerkennen. Das BMJ hatte diese Kritik als unbegründet zurückgewiesen. Faeser bremse ohne Not mit immer neuen, nachgeschobenen Argumenten eine wichtige Reform aus.
Evaluierung wird ausgedehnt
Das ist nun Schnee von gestern: Wie LTO jetzt erfuhr, will Nancy Faeser jetzt das Vorhaben nicht weiter blockieren. Eine BMI-Sprecherin bestätigte:
"Das BMJ hat seine Bereitschaft erklärt, bei der Neuregelung der Ersatzfreiheitsstrafen eine Evaluierungsklausel in den Gesetzentwurf aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund wäre BMI bereit, seine Bedenken zurückzustellen."
Dem Vernehmen nach hat man sich darauf verständigt, die ohnehin im Referentenentwurf vorgesehene Evaluierungsregelung zu ergänzen und den Zeitraum vorzuziehen. Bislang sollte fünf Jahre nach Inkrafttreten der Neuregelung lediglich untersucht werden, wie sich die Zahl der an den monatlichen Stichtagen wegen einer Ersatzfreiheitsstrafe inhaftierten Personen in Relation zur Anzahl der insgesamt verhängten Geldstrafen entwickelt hat.
Hinzu kommt nun eine Evaluierung zu der Frage, wie sich die Halbierung der Ersatzfreiheitsstrafe auf die Tilgungsbereitschaft der Betroffenen auswirkt. Beide Aspekte sollen nach Auskunft des BMJ nun bereits nach drei Jahren evaluiert werden.* Das BMI aber auch der Deutsche Richterbund befürchten, dass mit der Androhung eines nur noch halb so langen Gefängnisaufenthaltes die Bereitschaft zurückgeht, die ursprünglich verhängte Geldstrafe zu bezahlen.
Wird auch der Jumiko-Vorschlag übernommen?
Was auch immer bei der Evaluierung in fünf bis sechs Jahren herauskommt: Dass allein die insoweit modifizierte Evaluierungsregelung nunmehr den Widerstand der Bundesinnenministerin gegen das Gesetz beendet, dürfte durchaus als Erfolg für Marco Buschmann zu werten sein. Sein Referentenentwurf könnte nun sehr bald im Kabinett beschlossen werden.
Noch offen ist, ob sich darin dann auch eine Änderung findet, die auf einen Beschluss der Jumiko im November zurückgeht. Marco Buschmann wurde von den Ländern gebeten, eine Regelung vorzulegen, "der es sowohl der Staatsanwaltschaft als auch der Gerichtshilfe erlaubt, personenbezogene Daten im Einzelfall an private Träger der Straffälligenhilfe zu übermitteln". Mit diesen sollen dann Möglichkeiten erörtert werden, "die Geldstrafe in Ratenzahlungen zu tilgen oder durch gemeinnützige Arbeit abzuleisten, um so die Vollstreckung einer Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden".
Hintergrund ist, dass private Träger und Hilfsorganisationen der Straffälligenhilfe betroffenen Personen oft gerne ihre Unterstützung anbieten würden. Allerdings sind Staatsanwaltschaft und Gerichtshilfe bislang aus datenschutzrechtlichen Gründen gehindert, personenbezogene Daten im Einzelfall zu diesem Zweck an private Träger zu übermitteln.
*Anmerkung der Redaktion: Ergänzt nach Hinweis aus dem BMJ am 19.12.2022, 15.35 Uhr.
Nancy Faeser gibt ihren Widerstand auf: . In: Legal Tribune Online, 15.12.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50483 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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