"75 Jahre Grundgesetz" – darum drehte sich die große Bundestagsdebatte am Donnerstag. Die Unionsfraktion forderte in ihrem Antrag, "Verfassung und Patriotismus als verbindendes Band zu stärken". Doch nur die AfD stimmte dem Antrag zu.
Das Grundgesetz (GG) wird am 23. Mai genau 75 Jahre alt. Zu diesem Anlass brachte die Unionsfraktion im Bundestag einen Antrag ein mit dem Titel "Verfassung und Patriotismus als verbindendes Band stärken – Tag des Grundgesetzes am 23. Mai als Gedenktag aufwerten", über den am Donnerstag im Bundestag debattiert wurde.
Das wirft zunächst die Frage auf: Was ist ein Gedenktag und worin liegt der Unterschied zum Feiertag? Laut dem Bundesinnenministerium gehören offizielle Gedenk- und Feiertage zu den Symbolen, durch die sich ein Staat öffentlich darstellt. "Durch sie werden kollektiv erlebte Schlüsselerfahrungen als für die Gegenwart bedeutsam und erinnerungswürdig hervorgehoben."
Für die Anerkennung echter Feiertage, an denen im Unterschied zu bloßen Gedenktagen in der Regel nicht gearbeitet werden muss, sind an sich die Länder zuständig. Gedenktage, die keine Feiertage sind, sind etwa der 27. Januar als "Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus" und der 17. Juni als "Nationaler Gedenktag des deutschen Volkes".
Kontroverse um den Begriff "Patriotismus"
"Tag des Grundgesetzes" klingt erst einmal ganz charmant. Warum hat die Bundestagsmehrheit aus Ampel und Linken dagegen gestimmt? Der Haken an dem Antrag der Unionsfraktion ist aus ihrer Sicht, dass er den Patriotismus besonders hervorgehoben hat. Mit diesem Begriff konnten vor allem die Grünen wenig anfangen. So wies Schahina Gambir (Bündnis 90/Die Grünen) in der Debatte darauf hin, dass "ein starker Patriotismus häufig einhergeht mit der Ausgrenzung und Abwertung von Menschen, die als anders oder fremd wahrgenommen werden".
Philipp Amthor (CDU/CSU) hielt dagegen, man dürfe "den Patriotismus nicht denjenigen überlassen, die Patriotismus und Nationalismus nicht unterscheiden können". Dabei zitierte er den Historiker Prof. Andreas Rödder (CDU), dass ein positives Selbstbild westlicher Demokratien eine unabdingbare Voraussetzung für deren Selbstbehauptung sei.
Dass es beim Thema "75 Jahre GG" grundsätzlich werden würde, war zu erwarten. So warf etwa Stephan Brandner (AfD) den "Altparteien" vor, die Grundrechte des Grundgesetzes "mit Füßen zu treten". Beleg dafür seien unter anderem die damaligen Corona-Einschränkungen. Außerdem wollten die anderen Parteien die oppositionelle AfD vernichten, so Brandner. Geheimdienste, Verfassungsschutz und Militärischer Abschirmdienst würden auf seine Partei "gehetzt". Dies offenbare den "erbärmlichen Zustand der Demokratie in Deutschland heute".
Während Brandner mehr direkte Demokratie in Gestalt von Volksabstimmungen forderte, erachtete Günter Krings (CDU/CSU) ein solches Ansinnen oder auch die Einführung von Bürgerräten als Delegitimierung der Repräsentationsfunktion des Bundestags. Unter diesem Aspekt übte er auch Kritik an der identitätspolitischen Sichtweise, dass "bestimmte, streng abgegrenzte Personengruppen nur von ihresgleichen im politischen Prozess vertreten werden" könnten.
Union positioniert sich gegen AfD
Sahra Wagenknecht (BSW) stellte infrage, ob es denn eine liberale Demokratie sei, "wenn eine Mehrheit inzwischen Sorge hat, ihre Meinung frei zu äußern und der Mehrheitswille bei Migration, Rente oder bei Energie für die Regierung offenbar völlig belanglos" sei. 75 Jahre Grundgesetz sei weniger ein Tag zum Feiern in elitären Kreisen, befand sie. "Es sollte uns eine Mahnung sein, den Respekt vor der Meinungsvielfalt und dem Sozialstaats- und Friedensgebot unserer Verfassung wieder Rechnung zu tragen", so Wagenknecht.
Letztlich stimmte nur die AfD-Fraktion dem Antrag der Unionsfraktion zu: "Trotz der Schwächen Ihres Antrags reichen wir Ihnen die Hand und setzen heute ein Zeichen auch gegen die anderen, dass wir mehr Patriotismus und Verfassungsliebe wollen. Die Brandmauer von unserer Seite hat eine Tür!", so Brandner in Richtung der Unionsfraktion. Diese hatte sich in der Debatte jedoch mehrmals deutlich gegen die AfD positioniert.
dpa/kj/LTO-Redaktion
Nach kontroverser Debatte im Bundestag: . In: Legal Tribune Online, 16.05.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54562 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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