DNS-Resolver sind im Internet unerlässlich, allerdings speichern Anbieter wie Google oder Telekom dabei meist persönliche Daten zum Surfverhalten. Der Fall eines datenschutzfreundlichen Anbieters wirft nun eine Grundsatzfrage auf.
Nach § 8 Abs. 1 S. 2 Telemediengesetz (TMG) haften Diensteanbieter, die den Zugang zu rechtswidrigen Informationen vermitteln oder diese Informationen durchleiten, ausdrücklich nicht (mehr) auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung. Das Ende dieser sogenannten Störerhaftung war Hauptbestandteil der TMG-Novelle aus 2017, die neue Rechtslage hat der Bundesgerichtshof (BGH) mittlerweile auch bestätigt.
Der "Fall Quad9" vor dem Landgericht (LG) Hamburg wirft nun aber eine neue Grundsatzfrage auf: Wie weit soll der Ausschluss der Störerhaftung für Urheberrechtsverletzungen im Internet reichen?
Quad9 ist ein spendenfinanzierter schweizerischer Internetdienst, der einen sogenannten DNS-Resolver anbietet. Ein solcher DNS-Resolver übersetzt Webadressen, die User besuchen wollen, in numerische IP-Adressen, damit diese angesteuert werden können. Dabei verzichtet der Dienst auf die Speicherung von persönlichen Daten über das Surfverhalten, er ist also recht datenschutzfreundlich im Gegensatz zu anderen DNS-Resolvern von Internetanbietern wie etwa Telekom oder Google.
Auf einen Antrag der Sony Music Entertainment Germany GmbH hin hat das LG Hamburg kürzlich eine einstweilige Verfügung gegen Quad9 erlassen. Diese Verfügung verpflichtet den schweizerischen Anbieter, den Zugang zu einer Webseite von Dritten, die mutmaßlich urheberrechtsverletzend ist, (nur) für deutsche Nutzerinnen und Nutzer seines DNS-Resolvers zu sperren.
Gegen diese einstweilige Verfügung legte Quad9 nun gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) Widerspruch ein, die taktische Prozessführung betreibt. GFF-Projektkoordinatorin Julia Reda zur Kernfrage des Verfahrens: "Wenn gemeinnützige IT-Sicherheitsprojekte die Kosten für die Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen tragen müssen, mit denen sie selbst gar nichts zu tun haben, können sie ihre Dienste in Deutschland nicht mehr kostendeckend anbieten. Darunter leidet die IT-Sicherheit aller."
GFF: Overblocking und Einschränkung der Informationsfreiheit
Die EU-Kommission arbeite aktiv am Aufbau europäischer DNS-Dienste zur Minderung der Abhängigkeit von Google & Co. Dafür sei es unerlässlich, dass gemeinnützige IT-Projekte vor Kosten von Abmahnungen und Gerichtsverfahren geschützt werden, sagt Reda. "Der Bundestag hat bereits vor Jahren die Störerhaftung für Internetzugangsanbieter abgeschafft, um den Betrieb offener WLANs zu erleichtern. Die Ansicht des Landgerichts Hamburg, wonach DNS-Provider wie Quad9 sich auf diesen Haftungsausschluss nicht berufen können, darf auf keinen Fall Schule machen."
Das Vorgehen von Sony, das für eine Stellungnahme bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht zu erreichen war, kritisiert die GFF. Es sei technisch gar nicht möglich, dass durch DNS-Resolver einzelne Inhalte gesperrt würden. Es sei lediglich die Sperrung ganzer Domains möglich, so die GFF. Eine Sperrung von Webseiten, wie sie das LG Hamburg vorsehe, sei bei global agierenden DNS-Resolvern nicht vorgesehen.
Juristisch untermauert die GFF ihren Widerspruch im Wesentlichen so: Die Gefahr des Overblockings legaler Inhalte sei durch die pauschale Sperre ganzer Domains so erheblich, dass ein schwerer Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Informationsfreiheit der Nutzerinnen und Nutzer vorliege. Anstatt der Attackierung unbeteiligter Internetdienste solle sich Sony auf die Löschung von urheberrechtsverletzenden Inhalten an der Quelle zu konzentrieren.
ast/LTO-Redaktion
Sony Music vor dem LG Hamburg: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45863 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag