Kassenärzte, die sich für das Verschreiben von Medikamenten oder Verweisen von Patienten bezahlen ließen, waren bisher nicht strafbar – dies hatte der BGH bereits 2012 entschieden. Gut drei Jahre später will die Regierung die Lücke schließen.
Dass ein neues Strafgesetz kommen würde, war klar, seit der Große Senat des Bundesgerichtshofs (BGH) im Juni 2012 entschieden hatte, dass Kassenärzte, die sich von Pharmafirmen für das Ausstellen bestimmter Rezepte bezahlen lassen, nicht wegen Bestechlichkeit oder Vorteilsannahme nach § 331, 332 oder wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299* Strafgesetzbuch (StGB) belangt werden können. Ihnen fehle die Eigenschaft als Amtsträger bzw. als Beauftragter im geschäftlichen Verkehr. Auch die Entgegennahme von "Kopfprämien" für die Überstellung von Patienten an bestimmte Krankenhäuser und ähnliche Verhaltensweisen von Kassenärzten verstießen zwar gegen das Berufs-, nicht aber gegen das Strafrecht.
Anfang 2015 legte sodann das Bundesland Bayern einen Entwurf vor, der diese Lücke schließen sollte. Er sah eine Strafbarkeit sowohl für die Ärzte vor, als auch für die Unternehmen, die ihnen entsprechende Vorteile anbieten, wobei die "Bezahlung" nicht unmittelbar in Form von Geld, sondern auch in anderen Vorteilen liegen konnte. Auch sollten Angehörige weiterer verkammerter Heilberufe wie etwa Apotheker und Psychotherapeuten erfasst werden.
Regierungsentwurf zieht sehr weiten Täterkreis
Parallel dazu entwickelte auch das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) einen eigenen Entwurf, der am Mittwochmorgen von der Regierung beschlossen wurde und öffentlich abrufbar ist.
Er spannt den Kreis der potentiell strafbaren Empfänger von Bestechungsgeldern sogar noch weiter und erfasst sämtliche Angehörige von Heilberufen, die für die Berufsausübung oder die Führung der Berufsbezeichnung eine staatlich geregelte Ausbildung benötigen, ausweislich der Begründung also neben Ärzten, Zahnärzten und Apothekern auch Tierärzte, Psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sowie Gesundheitsfachberufe wie Gesundheits- und Krankenpfleger, Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten, deren Ausbildung ebenfalls gesetzlich geregelt ist. Keine Einschränkung ist zudem für die Geberseite geplant: Jeder kann prinzipiell Täter der Bestechung sein.
Geschenke ohne Gegenleistung bleiben erlaubt
Hierzu sollen die neuen §§ 299a und 299b (Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen) geschaffen werden. Auf Geber- wie Nehmerseite ist eine Verknüpfung von Vorteilsgewährung und Erhalt einer Gegenleistung durch den Arzt vorgesehen: Die bloße Gewährung und Entgegennahme von Geschenken ist also nicht strafbar, solange sie nicht – nachweisbar – zu einem bestimmten Verhalten des Arztes führt bzw. führen sollte.
Dieses Verhalten muss "einen anderen im inländischen oder ausländischen Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge[n]" oder der Empfänger muss damit "seine berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit verletze[n]". Schließlich ist auch die Verletzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Unabhängigkeit beim Bezug von Arzneimitteln taugliche Tathandlung.
Bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe, Verfolgung meist nur auf Antrag
Für beide Seiten sieht der Entwurf Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren vor; in besonders schweren Fällen, namentlich etwa bei Gewährung eines Vorteils "großen Ausmaßes" oder bei gewerbs- oder bandenmäßiger Begehung, drei Monate bis zu fünf Jahre.
Die Straftaten werden allerdings nur auf Antrag erfolgt, den neben dem Verletzten auch die Kammern, die kassen(zahn)ärztliche Vereinigung, in der der Täter Mitglied war, jeder rechtsfähige Berufsverband, der die Interessen von Verletzten im Wettbewerb vertritt oder die gesetzliche oder private Krankenkasse bzw. Pflegeunternehmen stellen können. Bei besonderem öffentlichen Interesse soll zudem von Amts wegen ermittelt werden. Änderungen im Sozialgesetzbuch V sollen zudem einen Informationsaustausch zwischen Staatsanwaltschaften und diversen Stellen im Gesundheitswesen über die Bekämpfung korruptiver Praktiken ermöglichen.
* Anm. d. Red.: Hier stand zunächst § 229 StGB. Geändert am 29.07.2015, 15:06.
Constantin Baron van Lijnden, Regierung beschließt Gesetzentwurf: . In: Legal Tribune Online, 29.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16421 (abgerufen am: 18.11.2024 )
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