Gäfgen-Urteil: Land Hessen legt Beru­fung ein

23.08.2011

Der hessische Innenminister Boris Rhein (CDU) habe Berufung gegen das Entschädigungsurteil zugunsten des verurteilten Kindsmörders Magnus eingelegt, teilte das Ministerium am Montag mit. Die Begründung: Das Urteil enthalte Rechtsfehler. Außerdem sei Gäfgen schon genug entschädigt worden.

Anfang des Monats hatte das Landgericht Frankfurt Gäfgen 3000 Euro plus Zinsen Entschädigung zugesprochen, weil ihm die Polizei vor neun Jahren nach seiner Festnahme mit Folter gedroht hatte. Die Polizisten hofften Druck auf den Entführer auszuüben, damit er das Versteck des verschleppten Bankierssohnes Jakob von Metzler preisgibt.

Gäfgen sei dadurch hinreichend entschädigt, dass die Folterdrohung rechtlich verurteilt worden sei, erklärte nun das Innenministerium. "Exakt dies ist geschehen und zwar durch Missbilligung der Folterandrohung im abgeschlossenen Strafprozess. Deshalb sehe ich eine weitergehende Entschädigung in Geld nicht mehr geboten", sagte Rhein der Mitteilung zufolge. Das Urteil der Frankfurter Zivilkammer weise überdies Rechtsfehler auf.

Denn der Kläger habe nie einen Anspruch auf Geldentschädigung geltend gemacht, sondern immer ausschließlich Schmerzensgeld gefordert. Da das Gericht laut Zivilprozessordnung (§ 308 ZPO) nicht befugt ist, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist, sei die Klage schon aus diesem Grund abzuweisen gewesen, so die Auffassung des Landes Hessen.

Noch viel wichtiger scheint dem hessischen Innenminister, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden hat, dass auch ein Urteil im Sinne des Verletzten eine ausreichende Entschädigung darstellen kann. Außerdem sieht das Land Hessen ganz erhebliche Mängel in der Beweiswürdigung des Landgerichts.

Gäfgen hatte den elfjährigen Jakob von Metzler 2002 ermordet und ist dafür zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er klagt aber seit Jahren durch alle Instanzen wegen des Unrechts, das ihm angetan worden sei.

Sein Anwalt Michael Heuchemer hatte nach dem Urteil angekündigt, notfalls vor Gericht zu ziehen, wenn die Entschädigung für seinen Mandanten mit dessen Schulden verrechnet wird.

dpa/ssc/LTO-Redaktion

 

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Zitiervorschlag

Gäfgen-Urteil: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4090 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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