2/2: Verbot in Westdeutschland länger aufrechterhalten
Das Nachtarbeitsverbot ließ sich in Kriegszeiten allerdings nicht aufrechterhalten. Es waren zu wenige männliche Arbeitskräfte da. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es nur in der Bundesrepublik wieder eingeführt, während in der DDR die werktätigen Frauen auch nachts die sozialistische Wirtschaft voranbringen sollten.
In Westdeutschland bedurfte es der Klage einer Prokuristin, die in ihrer Backwarenfabrik mit einem Bußgeld belegt worden war, weil ihre Arbeiterinnen nachts Tortenböden verpackten. Mit ihrer Entscheidung folgten die Karlsruher Richter ausdrücklich der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg, der bereits im Juli 1991 das französische Nachtarbeitsverbot für rechtswidrig erklärt hatte.
Die deutschen Verfassungsrichter erkannten in der entsprechenden Verordnung eine doppelte Diskriminierung der Fabrikarbeiterinnen - gegenüber männlichen Kollegen und gegenüber anderen Frauen, die in nichtindustriellen Berufen selbstverständlich auch nachts arbeiten durften und mussten. Sie stellten aber auch fest: "Nachtarbeit ist grundsätzlich für jeden Menschen schädlich." Der Staat müsse daher die körperliche Unversehrtheit seiner Bürger sicherstellen.
Zu den Extremen eines generellen Verbots oder einer uneingeschränkten Freigabe der Nachtarbeit konnten sich die Gerichte aber nicht durchringen. Vielmehr verlangten sie vom Gesetzgeber einen besseren Schutz der Betroffenen. Vor allem kämen Fördermaßnahmen für weniger Doppelbelastung durch Familie und Beruf in Betracht, die jedoch nicht wieder zu einem "frauenspezifischen Verbot" führen dürften.
Noch viel zu tun
Die damalige Bundesfrauenministerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete es nach dem Urteilsspruch als wichtigste Aufgabe, den Arbeitsschutz neu zu gestalten und nachts arbeitende Männer und Frauen vor Gesundheitsgefahren gleichermaßen zu schützen. 1994 änderte die schwarz-gelbe Bundesregierung das Arbeitszeitgesetz entsprechend. Es sieht seitdem zusätzliche medizinische Untersuchungen für Nachtarbeiter und einen schnelleren Ausgleich von Mehrarbeit vor. Außerdem gibt es geschlechtsneutrale Schutzvorschriften für Kranke und Schichtarbeiter, die Kinder versorgen müssen.
Was hat es gebracht? Von 1994 bis 2014 hat sich der Anteil der regelmäßig nachts arbeitenden Menschen von 7 auf 9 Prozent erhöht, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Männer arbeiten aktuell fast doppelt so häufig nachts (11 Prozent) wie Frauen (6 Prozent).
Diese sind von einer ganz anderen Entwicklung stark betroffen: Wegen der längeren Ladenöffnungszeiten ist die Zahl derjenigen stark gewachsen, die Abendarbeit zwischen 18 und 23 Uhr verrichten müssen. Ihr Anteil wuchs in den zehn Jahren um 11 Prozentpunkte auf mehr als ein Viertel (26 Prozent) aller Erwerbstätigen. Der Arbeitszeitexperte Hartmut Seifert erwartet für die kommenden Jahre einen weiteren Boom der Nachtarbeit in Dienstleistungsberufen wie Pflege und Logistik.
Viel zu oft verzichten allein Frauen auf ein berufliches Fortkommen, um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu versorgen, analysierten die Gewerkschaften - und erheben weitergehende Forderungen. In diese Richtung geht das Recht auf befristete Teilzeit. Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) will es in dieser Legislaturperiode umsetzen. "Auch das Wahlarbeitszeitgesetz ist ein Vorstoß für das Recht auf kürzere Arbeitszeiten für einen bestimmten Zeitraum", sagt Expertin Yvonne Lott von der gewerkschaftlichen Böckler-Stiftung. Mehr Partnermonate in der Elternzeit und Anreize für die Teilzeitarbeit von Männern wären weitere Schritte.
dpa/nas/LTO-Redaktion
Bizarres Jubiläum der Gleichberechtigung: . In: Legal Tribune Online, 23.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21859 (abgerufen am: 17.11.2024 )
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