Bei der Europawahl konnten rechte Parteien in vielen Ländern Erfolge verbuchen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron reagierte auf die Niederlage seiner Partei prompt: Im Land wird neu gewählt. Wie funktioniert die Wahl bei unseren Nachbarn?
Das Ergebnis der Europawahlen hat in Frankreich ein politisches Beben ausgelöst. Das rechtsnationale Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen hat laut Hochrechnungen vom späten Sonntagabend 31,5 bis 32 Prozent der Stimmen errungen, während das Mitte-Lager von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron weniger als die Hälfte – nur etwa 14,5 bis 14,9 Prozent – für sich verbuchen konnte. "Ich kann am Ende dieses Tages nicht so tun, als ob nichts geschehen wäre", meinte Macron daraufhin – und hat die Auflösung der Nationalversammlung (Assemblée Nationale) sowie Neuwahlen verkündet.
Mit der Neuwahl der Nationalversammlung will der Liberale klare politische Verhältnisse schaffen und hofft wohl, seine Mehrheit in der Parlamentskammer auszubauen. Französinnen und Franzosen sind am 30. Juni und am 7. Juli in zwei Wahlgängen an die Urne gerufen. Frankreich steht damit vor drei Wochen Wahlkampf im Eiltempo.
Macrons gewagter Schritt überraschte am Sonntagabend. Denn der klare Sieg des RN war erwartet worden. Bereits bei der vergangenen Europawahl 2019 lagen die Rechtsnationalen vor Macrons Lager. Während sie damals aber nur einen knappen Vorsprung hatten, kommen sie nun wohl auf etwa doppelt so viele Stimmen wie Macrons Mitte-Kräfte.
Renaissance hat schon lange keine absolute Mehrheit mehr
Unter Druck gesetzt hat das Ergebnis Macron vor allem, weil sein Regierungslager Renaissance bereits geschwächt ist. Seit knapp zwei Jahren hat es in der Nationalversammlung keine absolute Mehrheit mehr. Die Wahl der Nationalversammlung, die nach Macrons Ankündigung neu aufgelegt wird, ist separiert von den Präsidentenwahlen. Die nächste steht 2027 an.
Von den insgesamt 577 Sitzen in der Nationalversammlung belegten Abgeordnete der Renaissance zuletzt 169. Das Regieren gestaltete sich seitdem mühselig. Anders als in Deutschland herrscht in der Parlamentskammer eher eine Kampf- und Konfrontationskultur vor. Laut Frankreichs Verfassung wird die Politik der Parlamentsmehrheit umgesetzt, nicht diejenige des Staatschefs.
Sollte die RN die Mehrheit im Parlament erlangen, würde auch eine Person aus ihren Reihen zum Ministerpräsidenten ernannt werden. Im Falle einer "Cohabitation", also einer Situation, in der der Präsident und der Ministerpräsident nicht der gleichen Partei entstammen, wird die innere Politik wesentlich durch die Regierung des Ministerpräsidenten bestimmt; die Einflussnahme des Präsidenten wird eher auf außenpolitische Themen beschränkt.
Aus dem Umfeld des Präsidenten hieß es, die Franzosen seien das parlamentarische Durcheinander ohne klare Mehrheit leid gewesen. Mit den Neuwahlen setze Macron auf eine Bestätigung seiner Mehrheit und die Rückkehr zu einem parlamentarischen Leben, das den Erwartungen der Franzosen entspreche. "Unser Wille ist es, Klarheit zu schaffen, damit wir vorankommen", hieß es.
In Frankreichs jüngerer Geschichte war die Nationalversammlung bisher fünfmal aufgelöst worden. Macrons Schritt ist nun die erste Auflösung der Parlamentskammer in mehr als 25 Jahren. Die Nationalversammlung ist eine von zwei französischen Parlamentskammern. Sie ist an der Gesetzgebung beteiligt und kann per Misstrauensvotum die Regierung stürzen.
Politisches Pokern mit hohem Einsatz?
Le Pen machte nur wenige Minuten nach Macrons Ankündigung ihren Willen zur Machtübernahme klar. "Wir sind bereit, die Macht auszuüben, wenn die Franzosen uns bei diesen künftigen Parlamentswahlen ihr Vertrauen schenken." Macron sprach den Franzosen sein Vertrauen aus, die beste Entscheidung für sich und für zukünftige Generationen zu treffen.
Schon seit geraumer Zeit richtet sich der Blick in Frankreich auch auf die Präsidentschaftswahl 2027. Nach zwei Amtszeiten kann Macron, der Le Pen zweimal in der Stichwahl besiegte, nicht mehr antreten. Wen die Mitte-Kräfte dann ins Rennen schicken wollen und wer eine Chance gegen Le Pen hätte, ist unklar. Die Parlamentswahl wird ein weiterer Stimmungstest sein.
dpa/lmb/LTO-Redaktion
Neuwahlen in Frankreich: . In: Legal Tribune Online, 10.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54732 (abgerufen am: 21.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag