Massenverfahren belasten bundesweit Gerichte, insbesondere nicht auf den Einzelfall angepasste Parteivorträge schaffen Mehraufwand. Ob dies durch eine Software verbessert werden kann, prüft nun ein Forschungsprojekt.
Die Dieselverfahren, Klagen zu Fluggastrechten, Widerrufe von Darlehensverträgen – das sind nur einige Beispiele für die zahlreichen Massenverfahren, die deutsche Gerichte belasten. Ein Problem dabei: Unstrukturierte Parteivorträge, die nicht auf den konkreten Einzelfall bezogen sind. Genau an dieser Stelle setzt nun ein neues Forschungsprojekt Niedersachsens und Bayerns gemeinsam mit der Universität Regensburg an und prüft, wie und in welchen Fällen eine softwarebasierte Strukturierung des Parteivortrags Vorteile bringen kann - sowohl für das Verfahren als auch für die Prozessbeteiligten.
Bereits auf der Justizministerkonferenz im Juni wurde festgestellt, dass das Problem unstrukturierter Parteivorträge zu einem "erheblichen gerichtlichen Aufwand bei der Sachverhaltserfassung" komme. Deshalb würde sich dafür eingesetzt, Überlegungen zu Strukturvorgaben anzustrengen.
Bislang sei das Bundesjustizministerium aber in diesem wie in weiteren Punkten zur Modernisierung des Zivilprozesses noch nicht ausreichend tätig geworden, beklagt der bayerische Justizminister Georg Eisenreich: "Wir müssen auch die komplexen Themen in Angriff nehmen – wie die Strukturierung des Parteivortrags". Eine Strukturierung des Parteivortrags im Zivilprozess schone Ressourcen auf Seiten der Justiz und der Anwälte. "Wie das am besten gelingt, kann erst die Praxis zeigen. Die Sichtweisen der Anwaltschaft sind dabei ebenso zu berücksichtigen wie die der Richterinnen und Richter. Gemeinsam mit Niedersachsen starten wir deshalb ein Reallabor, bei dem der Prototyp einer Strukturierungssoftware in Gerichtsverfahren erprobt wird", erläutert Eisenreich.
Dieses Reallabor wird von den Lehrstühlen für Deutsches Verfahrensrecht unter der Leitung von Prof. Dr. Althammer und für Medieninformatik unter der Leitung von Prof. Dr. Wolff an der Universität Regensburg sowie den Justizministerien Bayerns und Niedersachsens durchgeführt. An der Universität wurden bereits erhebliche Vorarbeiten geleistet und nun ein Prototyp einer Software entwickelt werden, die ermöglichen soll, den Sachverhalt eines Verfahrens rechtlich und tatsächlich strukturiert aufzuarbeiten. Diese soll in der Praxis ausgetestet werden, um zu ermitteln, in welcher Ausgestaltung und in welchen Fällen die strukturierte Aufarbeitung des Prozessstoffs im Verfahren hilft. "Der Startschuss für die Vorbereitungsphase ist bereits gefallen. Ab 2024 soll das Reallabor sodann an Gerichten in Bayern und Niedersachsen stattfinden. Wir wünschen uns die Erprobung an Landgerichten in erster Instanz. Dadurch wird deutlich: Es wird am Ende eine Lösung von Praktikern für Praktiker – mit Unterstützung der Wissenschaft", berichtet die niedersächsische Justizministerin Havliza.
ast/LTO-Redaktion
Forschungsprojekt in Niedersachsen und Bayern: . In: Legal Tribune Online, 21.07.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49117 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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