Als guter Staatsbürger geht man selbstverständlich wählen. Und als besonders guter Staatsbürger gleich zweimal, mag sich Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Zeit, gedacht haben. Seine im Talk bei Günther Jauch eingestandene Doppelwahl ist eine öffentliche Blamage – mit strafrechtlichen Konsequenzen wird er aber eher nicht rechnen müssen.
Ob er in Deutschland oder in Italien abgestimmt habe, wollte Günther Jauch am Sonntagabend von Giovanni di Lorenzo wissen. Der Chefredakteur der Zeit verfügt über die Staatsangehörigkeit beider Länder. Und so habe er auch für beide gewählt, erklärte der 55-Jähirge: Am Vortag im italienischen Konsulat, am Sonntag dann in einer Hamburger Grundschule. Damit stieß er bereits in der Talkrunde auf heftige Bedenken, insbesondere seitens Wolfgang Schäuble (CDU), der starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer solchen doppelten Wahl anmeldete.
Und das zu Recht: § 6 Abs. 4 des Europawahlgesetzes (EuWG) bestimmt ausdrücklich: "Das Wahlrecht darf nur einmal und nur persönlich ausgeübt werden. Das gilt auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäischen Parlament wahlberechtigt sind."
Einen Verstoß gegen die Vorschrift sanktioniert § 107a Strafgesetzbuch (StGB) sogar strafrechtlich: Mit einer Höchststrafe von fünf Jahren oder Geldstrafe wird danach unter anderem bestraft, wer "unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt". Unrichtig ist das Wahlergebnis dann, wenn die Wahl ungesetzlich vollzogen wurde und danach ein anderes Stimmverhältnis vorliegt, als dies bei gesetzmäßigem Vollzug der Fall gewesen wäre.
Wohl keine strafrechtlichen Konsequenzen
Mit allzu ernsten Folgen wird der Chefredakteur der Zeit wohl dennoch nicht zu rechnen haben. Voraussetzung einer Strafbarkeit ist mindestens bedingter Vorsatz. Damit stellt sich die Frage, worauf dieser sich im Falle von di Lorenzo beziehen muss: Lediglich die tatsächlichen Umstände, also die Tatsache, dass er seine Stimme bewusst zwei Mal abgegeben hat, oder auch auf seine mangelnde Befugnis hierzu? Üblicherweise führt ein Irrtum über die Strafbarkeit des eigenen Handelns nach § 17 StGB nur dann zur Straffreiheit, wenn dieser unvermeidbar war. Das wird man hier kaum behaupten können, zumal die Wahlbenachrichtigung auch den Hinweis erhält, dass jeder Wähler nur ein mal wählen darf.
Allerdings muss der Vorsatz sich nach herrschender Meinung in der Literatur für die "Herbeiführung eines unrichtigen Wahlergebnisses" auch auf mangelnde Befugnis beziehen. Fehlt es daran, liegt ausnahmsweise kein Verbots-, sondern ein Tatbestandsirrtum vor, der den Vorsatz entfallen lässt. Di Lorenzo ging aber augenscheinlich davon aus, dass seine doppelte Stimmabgabe rechtlich nicht zu beanstanden sei. Damit könnte man ihm also womöglich nur Fahrlässigkeit vorwerfen, die im Falle des §107a StGB nicht strafbar ist.
Die öffentliche Meinung nimmt es mit diesen Unterscheidungen weniger genau, und so kassiert di Lorenzo, eigentlich einer der erfolgreichsten und angesehensten Medienmacher Deutschlands, derzeit von allen Seiten heftige Schelte. Besonders peinlich für ihn ist, dass ausgerechnet die Online-Repräsentanz seiner eigene Zeitung der Problematik einige Tage zuvor einen Beitrag gewidmet hatte. Dieser kam zum Schluss, dass die doppelte Stimmabgabe derzeit nicht wirksam verhindert werden könne, da der bürokratische Aufwand zu groß und die Abstimmung zwischen den Ländern zu komplex sei. Die Verantwortung, so wird ein Sprecher der italienischen Botschaft zitiert, liege daher beim Wähler selbst: "Wenn er redlich ist, wird er seine Stimme wie alle anderen nur einmal abgeben."
cvl/LTO-Redaktion
Peinlicher Fehltritt bei Jauch: . In: Legal Tribune Online, 26.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/12090 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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