Wer schwul oder lesbisch ist und aus einem Land kommt, in dem Haftstrafen wegen Homosexualität verhängt werden, kann auf Schutz in der EU hoffen. Asylbewerber müssen ihre sexuelle Orientierung nicht geheim halten, so der EuGH am Donnerstag. Im März 2012 hatte das VG Bayreuth noch einen "zurückhaltenden Lebenswandel" von einer lesbischen Iranerin verlangt.
Wer befürchten muss, wegen seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in seinem Heimatland verfolgt zu werden, kann in der EU als Flüchtling anerkannt werden. Die Verfolgung muss dafür so gravierend sein, dass sie grundlegende Menschenrechte schwerwiegend verletzt.
Was das genau bedeutet, konnte der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag in einem Fall aus den Niederlanden erklären. Geklagt hatten drei Homosexuelle aus Sierra Leone, Uganda und dem Senegal. Sie fürchten eine Verfolgung wegen ihrer sexuellen Ausrichtung und haben in den Niederlanden einen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gestellt. In allen drei Ländern sind homosexuelle Handlungen mit hohen Geldstrafe bis zu lebenslangen Haftstrafen bedroht.
Haftstrafen müssen tatsächlich verhängt werden
Die sexuelle Ausrichtung ist ein Merkmal, das so bedeutsam für die Identität einer Person ist, dass niemand dazu gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, so die Luxemburger Richter. Strafnormen, die spezifisch Homosexuelle betreffen, machen aus diesen eine abgegrenzte Gruppe, die von der Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.
Dies sei aber nur dann eine Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention, wenn die Grundrechtsverletzung von einer bestimmten Schwere ist. Das bloße Bestehen von Vorschriften, die homosexuelle Handlungen unter Strafe stellen, genüge nicht. Würden Freiheitsstrafen aber tatsächlich verhängt, könne dies für die Anerkennung als Flüchtling ausreichen.
Nationale Behörden müssten daher ermitteln, ob das Herkunftsland des Asylbewerbers eine Haftstrafe nicht nur androht, sondern in der Praxis tatsächlich auch verhängt (Urt. v. 07.11.2013, Az. C-199 bis 201/12).
VG Bayreuth hatte Zurückhaltung verlangt
Dabei könne von einem Asylbewerber nicht erwartet werden, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder sich beim Ausleben dieser sexuellen Ausrichtung zurückhält, um eine Verfolgung zu vermeiden.
Das hatte des Verwaltungsgericht (VG) Bayreuth im vergangenen Jahr anders gesehen. Es hatte eine lesbische Iranerin nicht als Flüchtling anerkannt und dafür unter anderem darauf verwiesen, dass die Frau keine Verfolgung zu befürchten habe, wenn sie - wie alle anderen homosexuellen Iraner - einen zurückhaltenden Lebenswandel praktiziere. Dabei droht Homosexuellen im Iran sogar die Todesstrafe (Urt. v. 05.03.1012, Az. B 3 K 11.30113).
cko/LTO-Redaktion
EuGH zur Anerkennung von Flüchtlingen: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/9980 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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