EuGH-Schlussanträge: Ita­lien darf "Sea-Watch"-Schiffe im Hafen fest­halten

22.02.2022

Nach dem Generalanwalt am EuGH darf Italien Rettungsschiffe wie die "Sea-Watch 3" im Hafen auf Mängel überprüfen - und sie dafür festhalten. Bei der Entscheidung müssen Sicherheit und Hilfe gegeneinander abgewogen werden.

Die deutschen Migranten-Rettungsschiffe "Sea-Watch 3" und "Sea-Watch 4" dürfen nach Ansicht des Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof (EuGH) von italienischen Behörden zur Kontrolle festgehalten werden. Das geht aus den Schlussanträgen vom Dienstag hervor (Rechtssachen C-14/21 und C-15/21).

Demnach dürfen Hafenstaaten zusätzliche Kontrollen bei Seenotrettungsschiffen durchführen, um sicherzustellen, dass diese internationale Sicherheitsregeln einhalten und korrekt zertifiziert sind. Gleichzeitig dürfe die Verpflichtung zur Seenotrettung, die unter internationalem Recht für Kapitäne gelte, aber nicht beeinträchtigt werden.

Sicherheit und Hilfe müssen abgewogen werden

Die unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe der privaten deutschen Organisation Sea-Watch fahren regelmäßig ins zentrale Mittelmeer, um dort Menschen auf der Flucht von Nordafrika Richtung EU zu retten. Im Sommer 2020 wurden die "Sea-Watch 3" und "Sea-Watch 4" jeweils in den Häfen von Palermo und Porto Empedocle in Sizilien von den Behörden überprüft. Die Begründung war, dass sie eine höhere Zahl an Passagieren mitführten, als ihre Zertifizierung als Mehrzweckfrachtschiffe es erlaube. Bei diesen Kontrollen wurden technische Mängel und Probleme bei den Papieren festgestellt und die Schiffe anschließend festgehalten. Sea-Watch klagte dagegen.

Den italienischen Behörden wurde vorgeworfen, die Schiffe aus politischen Gründen festzuhalten. In Italien sind die Einsätze der zivilen Seenotretter umstritten; vor allem rechte Parteien wie die Lega wollen, dass sie die Menschen woanders hinbringen.

So gerieten der Mittelmeerstaat und die Seenotretter bereits 2019 in umgekehrter Konstellation aneinander. Damals verweigerte Italien der "Sea-Watch 3" die Einfahrt in den Hafen von Lampedusa. Als die Kapitänen Carola Rackete das Schiff dennoch in den Hafen steuerte, um nach längerer Wartezeit 40 noch an Bord befindlichen Migranten die Ausschiffung zu ermöglichen, nahmen sie die italienischen Behörden fest. Einen Eilantrag von Sea-Watch lehnte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zuvor ab.

Der EuGH-Generalanwalt befand nun, dass Regeln zur Überprüfung der Sicherheit auch für die Seenotretter gelten, insbesondere, da sie regelmäßig zu viele Passagiere beförderten und daher Gefahren für Personen oder Umwelt entstehen könnten. Dies könne auch zusätzliche Kontrollen rechtfertigen, wenn es eindeutig Gefahren für die Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt gebe, heißt es in den Schlussanträgen. Sie müssten jedoch einzeln von nationalen Gerichten geprüft und dabei auch die Pflicht zur Hilfeleistung auf See berücksichtigt werden.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH-Schlussanträge: . In: Legal Tribune Online, 22.02.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47611 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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