Zehn Familien, unter anderem aus Deutschland, Kenia und Fidschi wollten vor dem EuGH erreichen, dass die EU sich strengere Klimaziele geben muss. Doch die Richter haben ihre Klage endgültig zurückgewiesen.
Die Kläger des People’s Climate Case sind mit ihrer Klage für strengere Klimaziele in der Europäischen Union (EU) gescheitert. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hielt die Klage für unzulässig (Urt. v. 25.03.2021). Zwar sei es richtig, dass die Folgen des Klimawandels jeden Menschen anders träfen. Das bedeute aber nicht, dass einzelne Personen auch gegen die EU-Gesetze klagen könnten. Ohnehin ist das im EU-Recht die Ausnahme. Nur von der Maßnahme individuell betroffene Personen sind klagebefugt.
Insgesamt zehn Familien aus der EU, Kenia und Fidschi hatten im Jahr 2018 wegen der Gefahren des Klimawandels gegen das Europäische Parlament und den Rat der EU vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) geklagt. Alle sind in der Landwirtschaft oder im Tourismus tätig.
Sie fordern strengere Maßnahmen zum Klimaschutz als die in den EU-Klimagesetzen von 2018 vorgesehenen Ziele. Die Bestrebung, bis 2030 die Treibhausgase um 40 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken, reiche als Schutz vor den Risiken nicht aus, argumentierten die Kläger. Erforderlich seien Maßnahmen, die die Emissionen um mindestens 50 bis 60 Prozent reduzieren. Germanwatch und andere Umweltorganisationen unterstützten die Klage.
Betroffen sind alle, klagen kann man deshalb nicht
Bereits in erster Instanz waren die Familien vor dem EuG gescheitert. Die Luxemburger Richter hatten die Klage mit Beschluss vom 8. Mai 2019 als unzulässig abgewiesen. Das Gericht befand, der Klimawandel werde jeden Menschen auf eine bestimmte Art und Weise treffen. Zwar könnten sich die Folgen der Erderwärmung auf einige Personen anders auswirken als auf andere. Das bedeute aber nicht, dass diese Personen gegen Gesetze, also Maßnahmen mit allgemeiner Geltung, klagen könnten. Ansonsten würden die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) niedergelegten Anforderungen an die Klagebefugnis ausgehöhlt.
Gegen den Beschluss hatten die Kläger Berufung eingelegt. Sie machten geltend, die EU-Klimagesetze erlaubten Treibhausgasemissionen, die jeden von ihnen auf eigene tatsächliche Weise beträfen. Einige litten besonders unter den Dürren, andere hätten mit Überschwemmungen oder Hitzewellen zu kämpfen, die durch den Klimawandel ausgelöst oder verschlimmert werden.
Der EuGH folgte dieser Auffassung jedoch nicht. Allein das Vorbringen, ein Rechtsakt der EU verletze die Grundrechte, führe nicht automatisch zur Zulässigkeit der Klage eines Einzelnen. Ansonsten entfalle der Sinn der im AEUV aufgestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen. Die Kläger hätten das Kriterium der individuellen Betroffenheit falsch verstanden. Eine solche sei nur anzunehmen, wenn das angegriffene Gesetz gerade die Kläger aufgrund bestimmter Eigenschaften oder anderer Umstände stärker als alle anderen Personen betreffe.
Der Sohn eines Klägers zieht derweil nach Karlsruhe
Geklagt hatte unter anderem Familie Recktenwald aus Langeoog. Die Familie wohnt seit vier Generationen auf der ostfriesischen Insel und betreibt dort ein Hotel. Sie sieht ihre Existenz durch den steigenden Meeresspiegel und die weiteren Folgen des Klimawandels gefährdet. Sturmfluten nähmen bereits jetzt zu und aufwändige Küstenschutzmaßnahmen müssen immer öfter durchgeführt werden. Michael Recktenwald kann das endgültige Aus der Klage vor dem EuGH nicht begreifen: „Wir haben uns auf die Europäische Grundrechtecharta berufen. Ich verstehe nicht, warum ich meine Grundrechte hier nicht geltend machen kann. Das kann man keinem Menschen erklären.“
Prof. Gerd Winter, einer der Rechtsvertreter der Klägerfamilien, kritisierte, der EuGH entziehe sich mutlos seiner Verantwortung für den Klimaschutz: "Obwohl er Hüter der Grundrechte ist, weigert er sich, die Vorgaben der EU für die Reduktion von Treibhausgasemissionen an ihnen zu messen. Dies begründet er damit, dass die Kläger nicht individuell betroffen seien – eine angesichts der tatsächlichen Notsituationen, in denen diese sich befinden, schmerzende Gleichgültigkeit."
Mehr Erfolg hatten da sechs portugiesische Kinder vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR): Die Straßburger Richter ließen ihre Klage gegen Deutschland und 32 weitere Länder zu. Die Kläger wollen erreichen, dass die europäischen Staaten ihre Bemühungen zum Klimaschutz beschleunigen.
Auch, wenn seine Klage vor dem EuGH keinen Erfolg hatte, will Recktenwald sich weiterhin für die Klimagerechtigkeit einsetzen. Nicht nur für seine Familie, sondern für alle zukünftigen Generationen. Auch Sohn Lüke engagiert sich bereits: Im Februar hat er gemeinsam mit weiteren Jugendlichen Verfassungsbeschwerde gegen das Bundesklimaschutzgesetz erhoben.
Franziska Kring, EuGH zum People's Climate Case: . In: Legal Tribune Online, 25.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44586 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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