Rumänien hat bei seinem EU-Beitritt nicht alle Voraussetzungen erfüllt und muss nachliefern. Die EU bewertet die Fortschritte. Doch inwiefern ist das verbindlich? Dazu urteilte der EuGH. Er befürchtet politische Einflussnahme auf die Justiz.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich besorgt über Reformen des rumänischen Justizsystems gezeigt. In ihrem Urteil vom Dienstag befassen sich die höchsten europäischen Richter:innen unter anderem mit der Möglichkeit politischer Einflussnahme auf die Justiz. Dabei geht es etwa um eine Sondereinheit der Staatsanwaltschaft für Ermittlungen gegen Justizpersonal. Die endgültige Bewertung überlässt der EuGH jedoch den Richtern in Rumänien (Urt. v. 18.5.2021, Rs. C-83/19, C-127/19, C-195/19, C-291/19, C-355/19 und C-397/19). Der Generalanwalt hatte die Reformen als unionsrechtswidrig eingestuft.
Das südosteuropäische Land steht seit dem EU-Beitritt 2007 unter besonderer Beobachtung der EU-Kommission, weil es damals nicht alle Vorgaben gegen Korruption und organisiertes Verbrechen sowie zur Stärkung der Justiz erfüllte. Die EU-Kommission veröffentlicht deshalb jährlich Fortschrittsberichte zu diesen Themen. Zuletzt bewertete die Behörde Verordnungen der rumänischen Regierung von 2018 und 2019, die die Justizgesetze änderten, teils negativ. Deshalb wollten mehrere rumänische Gerichte vom EuGH wissen, ob die Anforderungen in den Berichten für Rumänien verpflichtend sind.
Fortschrittsberichte sind nicht bindend
Das EuGH-Urteil stellt zunächst einmal fest, dass die vor dem EU-Beitritt festgelegten Ziele für Rumänien Bindungswirkung entfalten - die Empfehlungen in den Fortschrittsberichten allerdings nicht. Doch müsse Rumänien auch letztere angemessen berücksichtigen und außerdem von Schritten absehen, die die vor dem EU-Beitritt formulierten Ziele gefährdeten. Eine Entscheidung über diese Frage müssten jedoch die rumänischen Gerichte treffen.
Auch mit Blick auf andere Aspekte überlässt der EuGH den nationalen Gerichten die endgültige Bewertung. Die Luxemburger Richterinnen und Richter betonten, dass bei der Einrichtung der Sondereinheit der Staatsanwaltschaft für Ermittlungen gegen Justizpersonal sichergestellt werden müsse, dass diese nicht als Instrument politischer Kontrolle genutzt werden könne. Ob dies so ist - darüber müssten rumänische Richter entscheiden. Die Sondereinheit wurde von den inzwischen nicht mehr regierenden Sozialdemokraten eingeführt. Diese hätten damit die Justiz politisch kontrollieren wollen, um damit die Korrupten in ihren eigenen Reihen zu schützen, bemängelten Kritiker.
Über rumänische Regeln zur Besetzung der Spitzenposten in der Justizaufsicht durch die Regierung zeigen die EuGH-Richter sich zwar besorgt - doch äußern sie sich auch hier nicht ganz eindeutig. Die Gesetze nährten jedoch Bedenken, dass derlei Gremien Druck oder politische Kontrolle auf Richter und Staatsanwälte ausüben könnten.
dpa/pdi/LTO-Redaktion
Wegen möglicher politischer Einflussnahme: . In: Legal Tribune Online, 18.05.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44993 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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