Wieder befasste sich der EuGH mit einer deutschen Maut. Diesmal aber nicht mit der PKW-Maut, die krachend scheiterte – sondern mit der LKW-Maut. Auch hier erleidet Deutschland eine Niederlage, denn die Richter finden, sie wurde falsch berechnet.
Die Kosten für die Verkehrspolizei dürfen bei der Erhebung der LKW-Maut in Deutschland nicht berechnet werden. Dies entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Mittwoch in Luxemburg und gab damit einer polnischen Spedition recht (Urt. v. 28.10.2020 Az. C-321/19). Diese hatte in Deutschland Klage auf Rückzahlung der Mautgebühren erhoben. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hatte den EuGH um Klärung gebeten.
Laut EuGH sind bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die Infrastrukturkosten, also für Bau sowie Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes, zu berücksichtigen. "Polizeiliche Tätigkeiten fallen aber in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt", urteilten die höchsten europäischen Richter. Die Kosten der Verkehrspolizei könnten daher nicht als Kosten für den Betrieb im Sinne der Richtlinie über die Erhebung von Gebühren angesehen werden.
Die polnische Spedition hatte beim OVG auf die Rückzahlung deutscher Autobahnmaut aus den Jahren 2010 und 2011 geklagt. Aus ihrer Sicht verstoßen die Mautsätze gegen die EU-Wegekostenrichtlinie. Wichtigster Streitpunkt waren die besagten Kosten für die Verkehrspolizei.
Breits der EuGH-Generalanwalt Henrik Saugmandsgaard Øe befand, dass die Kosten für die Verkehrspolizei da nicht hineingehörten. Spielraum bei der Berechnung sehe er nicht. Selbst eine geringfügige Überschreitung der Infrastrukturkosten bei den Mautgebühren verletzte EU-Recht. Dies sahen auch die EuGH-Richter so und so stellten klar, dass die Richtlinie auch einer lediglich geringfügigen Überschreitung entgegenstehe.
Auch einen Antrag der Bundesregierung, mit dem die zeitliche Wirkung des Urteils zulasten der Bundesrepublik begrenzt werden sollte, wies der EuGH zurück. Der von der Bundesrepublik in der mündlichen Verhandlung genannte Betrag von 200 Millionen Euro pro Jahr für Ausgaben für die Verkehrspolizei reiche nicht aus, um eine "Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen" nachzuweisen, argumentierte zuvor der Gerneralanwalt.
Worum geht es bei der Lkw-Maut?
Die Lkw-Maut auf Bundesautobahnen wurde 2005 eingeführt. Damit wurde laut Verkehrsministerium ein Systemwechsel vollzogen - weg von der Steuer- und hin zur Nutzerfinanzierung des Fernstraßenbaus. Denn gerade schwere Lastwagen verschleißen die Straßen. Inzwischen ist die LKW-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet worden. Sie gilt für Lastwagen ab 7,5 Tonnen. Bei der Abgabe gibt es eine Differenzierung nach dem Schadstoffausstoß der Fahrzeuge.
Ein wesentlicher Bestandteil der Infrastrukturkosten sind laut Berechnung der Wegekosten für das Bundesfernstraßennetz für die Jahre 2018 bis 2022 Betriebs-, Unterhaltungs- und Mauteinzugskosten sowie Aufwendungen für die Polizei.
Pläne für eine deutsche PKW-Maut hatte der EuGH im Juni 2019 gekippt, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist deswegen schwer unter Druck. Wegen möglichen Verstößen gegen das Haushalts- und Vergaberecht läuft ein Untersuchungsausschuss des Bundestags.
Nach dem Urteil des EuGH muss über den konkreten Fall in dem Musterverfahren noch das Oberverwaltungsgericht in Münster entscheiden. Als möglich wäre dann noch eine Revision beim Bundesverwaltungsgericht.
dpa/vbr/LTO-Redaktion
Wieder Niederlage vor dem EuGH: . In: Legal Tribune Online, 28.10.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/43238 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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