Die Erhebung persönlicher Daten zur Aufklärung von Straftaten ist in der Regel zulässig. Der EuGH musste nun entscheiden, wie schwer eine Straftat dafür sein muss. Kommt drauf an, sagen die Luxemburger Richter.
Mit Urteil vom 2. Oktober 2018 (Az. C-207/16) entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die Erhebung persönlicher Daten zum Zwecke der Aufklärung von Strataten auch dann gerechtfertigt sein kann, wenn die Schwere der angelasteten Tat als vergleichsweise gering einzustufen ist. Voraussetzung ist dann aber, dass auch der mit der Datenerhebung verbundene Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen nicht allzu schwer wiegt.
Anlass zur Entscheidung gab ein Verfahren aus Spanien. Die dortige Kriminalpolizei ermittelte wegen eines Raubes einer Brieftasche und eines Mobiltelefons und hatte beim Ermittlungsrichter den behördlichen Zugang zu einem Telekommunikationsbetreiber beantragt, um die Daten mehrerer mit dem Handy benutzter Nummern zu erhalten.
Der Ermittlungsrichter lehnte den Antrag jedoch ab, da nach spanischem Recht die Straftat nicht schwer genug sei, um den Eingriff in die Rechte des Mannes zu begründen. Denn das nationale Recht sehe vor, dass eine Rechtfertigung der Datenerhebung erst dann in Betracht komme, wenn es sich um eine schwere Straftat handele, die mit einer Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren bedroht sei. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen.
Nachdem die spanische Staatsanwaltschaft gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt hatte, rief das Berufungsgericht den EuGH an. Der Gerichtshof sollte klären, wie die Schwelle der Schwere der Straftat bestimmt werden muss, ab der ein Grundrechtseingriff durch Erhebung von Telekommunikationsdaten gerechtfertigt ist. Der spanische Gesetzgeber hatte zur Konkretisierung der europäischen Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation kurz geregelt, dass eine dreijährige Strafandrohung für eine schwere Straftat genüge. Von diesem Strafrahmen wäre aber beinahe jedes spanische Verbrechen erfasst.
EuGH: Einblicke in die Privatsphäre nur bei schwerer Straftat
Die Richter in Luxemburg führten aus, dass der Wortlaut der Richtlinie die persönliche Datenerhebung zum Zwecke der Straftatenaufklärung "allgemein" für zulässig erklärt. Die Richtlinie sei daher nicht auf die Bekämpfung schwerer Kriminalität beschränkt und lasse auch eine Rechtfertigung der Datenerhebung bei vergleichsweise weniger schweren Straftaten zu. Voraussetzung sei dann aber, dass auch der damit verbundene Eingriff nicht allzu schwer wiege. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die erhobenen Daten kein umfassendes Bild der Privatsphäre des Betroffenen zeichen würden.
Im vorliegenden Fall sei dies jedoch auch nicht möglich gewesen. Aus den angeforderten Telefondaten hätten sich keine eindeutigen Schlüsse auf das Privatleben ziehen lassen, resümierte der EuGH. In solchen Fällen sei es daher zulässig, auch dann persönliche Daten zu erheben, wenn die angelastete Straftat weniger schwer wiege. Geben die angeforderten Daten aber tiefe Einblicke in das Privatleben, so dürfen sie den Behörden laut EuGH nur zugänglich gemacht werden, wenn sie der Aufdeckung schwerer Kriminalität dienen.
In Deutschland regelt § 100a Strafprozessordnung den Zugriff auf Telekommunikationsdaten durch die Ermittler. Voraussetzung ist auch hier eine "schwere Straftat" und dass "die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre". Was eine schwere Straftat ist, regelt ein Katalog in Abs. 2 der Vorschrift.
tik/LTO-Redaktion
EuGH zur Erhebung persönlicher Daten im Strafverfahren: . In: Legal Tribune Online, 02.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31271 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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