Tschechien klagt gegen Polen vor dem EuGH. Grund des Streits: Der Tagebau Turów. Der EuGH entschied, dass Polen den Betrieb bis zur Hauptsachentscheidung einstellen soll. Ab sofort muss Polen sonst täglich 500.000 Euro zahlen.
Im Februar diesen Jahres machte Tschechien von einem Instrument des EU-Rechts Gebrauch, das zwar in jedem Europarechtslehrbuch zu finden ist, in der Praxis aber eher selten Anwendung findet: die Staatenklage. Tschechien war überzeugt, dass Polen mit dem Braunkohletagebau Turów nahe der tschechischen und auch der deutschen Grenze, dessen Hauptanteilseigner der polnische Staat ist, gegen EU-Recht verstoße.
Laut einem polnischen Gesetz kann ein Braunkohletagebau ohne eine Umweltprüfung für sechs weitere Jahre verlängert werden, wenn dies einer vernünftigen Verwaltung der Kohlevorkommen entspricht und der Abbau weiterhin im Rahmen der ursprünglichen Genehmigung liegt. Für den Tagebau Turów wurde eine solche Verlängerung durch die polnische Regierung bis 2026 beschlossen, was Tschechien und auch die EU-Kommission für unionsrechtswidrig halten.
Vor dem EuGH beantragte Tschechien im Rahmen der Staatenklage auch eine vorläufige Anordnung, dass Polen den Abbau im Tagebau Turów bis zu einer endgültigen Entscheidung des EuGH in der Hauptsache aussetzen solle. Diesem Begehren gab der EuGH statt. Polen befolgte die Anordnung allerdings nicht und setzte den Abbau fort. Stattdessen beantragte Polen die Aufhebung der Anordnung.
500.000 Euro am Tag
Polen argumentierte vor Gericht, dass sich die Umstände geändert hätten. Allerdings wurden als Begründung die gleichen Punkte vorgebracht, die schon gegen den ursprünglichen Antrag Tschechiens angeführt wurden. Eine solche bloße Wiederholung von Argumenten kann aus Sicht des EuGH nun keine geänderten Umstände begründen. Auch die weiteren Begründungen Polens verwarf der EuGH: Polen machte geltend, dass die Einstellung des Abbaus in Turów die Gefahr berge, dass Bewohnerinnen und Bewohner bestimmter Gebiete nicht mehr mit Trinkwasser versorgt würden und nicht mehr heizen könnten. Dafür brachte Polen allerdings aus Sicht des EuGH keine hinreichenden Beweise vor.
Der EuGH sei, so führt das Gericht aus, nach Art. 279 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ermächtigt, vorläufige Anordnungen bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu treffen. Das bot ihm nun auch die Möglichkeit, ein saftiges Zwangsgeld zu verhängen.
Im vorliegenden Fall habe Polen nun eindeutig gegen die vorläufige Anordnung des Gerichts verstoßen, sodass ein Zwangsgeld zur Stärkung der Effektivität der vorläufigen Anordnung, also des Abbaustopps im Tagebau Turów, erforderlich sei. Die Höhe des Ordnungsgelds über 500.000 Euro begründete der EuGH damit, dass die Einhaltung des Abbaustopps notwendig sei, um mögliche unwiderrufliche Gefahren für die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung abzuwenden.
ast/LTO-Redaktion
Tagebaustreit vor dem EuGH geht weiter: . In: Legal Tribune Online, 20.09.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46064 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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