EuGH-Generalanwalt zum Rundfunkbeitrag: Bares ist Wahres

von Manuel Göken

29.09.2020

Nach dem EuGH-Generalanwalts darf der Rundfunkbeitrag auch in bar bezahlt werden. Eine deutsche Regelung für ein Recht auf Barzahlung sei zwar europarechtswidrig. Dennoch dürfte eine solche nur ausnahmsweise ausgeschlossen werden.

In einem Streit über die Barzahlung des deutschen Rundfunkbeitrags hat der zuständige Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) festgestellt, dass die öffentlich-rechtlichen Anstalten grundsätzlich Scheine und Münzen annehmen müssen. Seiner Ansicht nach verstoße eine deutsche Norm für ein Recht auf Bargeldzahlung zwar gegen europäisches Recht. Dennoch könne die physische Zahlung nur in Ausnahmefällen begrenzt werden, heißt es in den Schlussanträgen vom Dienstag (Rechtssachen C-422/19 und C-423/19).

Zwei Wohnungsinhaber aus Hessen wehrten sich gegen die Festsetzung rückständiger Rundfunkbeiträge durch den beklagten Hessischen Rundfunk (HR). Hilfsweise wollten sie feststellen lassen, dass sie berechtigt sind, Rundfunkbeiträge in bar zu zahlen. Der Rechtsstreit ist inzwischen beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) anhängig. Der HR hatte eine Barzahlung mit Hinweis auf seine Beitragssatzung abgelehnt, in der geregelt ist, dass der Beitrag nur durch Lastschrifteinzug oder Überweisung bezahlt werden kann.

Nach Ansicht der Leipziger Richter verstieße diese Regelung gegen das Barzahlungsrecht aus § 14 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank (BBankG). Dort ist in Abs. 1 Satz 2 normiert, dass Euro-Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel sind. Für den Senat stellten sich dann allerdings zwei Fragen, mit denen er sich an den EuGH wandte:

Generalanwalt hält deutsches Barzahlungsrecht für europarechtswidrig

Durfte die Bundesrepublik überhaupt eine nationale Regelung wie die des BBankG treffen, obwohl die ausschließliche Zuständigkeit für die Währungspolitik bei der Europäischen Union liegt? Und durfte die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt das Bargeld ablehnen, obwohl Art. 128 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) "Euro-Banknoten" als gesetzliches Zahlungsmittel festlegt.   

Hinsichtlich der Gesetzgebungskompetenz betont der Generalanwalt, dass die ausschließliche Zuständigkeit im Bereich der Währungspolitik der Union zugewiesen sei. Jegliche nationale Bargeldregelungen, die die "Eigenschaft eines gesetzlichen Zahlungsmittels" regelten, seien daher mit dem Unionsrecht unvereinbar. Die Mitgliedstaaten dürften lediglich Modalitäten festlegen, wie privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Geldleistungen zu erfüllen sind, ohne in den Kernbereich einzugreifen.

Nach dem Eindruck des Generalanwalts soll § 14 BBankG den unionsrechtlichen Begriff ergänzen. Damit greife der deutsche Gesetzgeber aber in die ausschließliche Zuständigkeit der Union ein. Die Norm wäre also europarechtswidrig. Letztlich ist es aber die Aufgabe des BVerwG, die genaue Tragweite der Regelung zu prüfen.

Bargeld dient auch "sozialer Eingliederung"

Den Begriff der "Euro-Banknote" im AEUV legt der Generalanwalt dahingehend aus, dass Gläubiger grundsätzlich verpflichtet seien, Bargeld anzunehmen. Er beschreibt in seinen Schlussanträgen aber zwei Ausnahmen von dieser Regel: zum einen könnten die Vertragsparteien privatautonom ein anderes Zahlungsmittel als Bargeld vereinbaren. Zum anderen könnten auch die Mitgliedstaaten Bargeldzahlungen in Rechtsvorschriften beschränken. Solche hoheitlichen Regelungen müssten allerdings im öffentlichen Interessen seien, eine Bargeldzahlung nicht vollständig abschaffen und die Geldschulden auf anderem Wege beglichen werden können.

Nach den Schlussanträgen sieht das europäische Recht also kein absolutes Recht auf eine Barzahlung vor. Allerdings betonte der Generalanwalt dessen grundrechtliche Bedeutung als ein "Element sozialer Eingliederung". Nach seiner Einschätzung gebe es nämlich noch viele EU-Bürger, für die Bargeld das einzige Zahlungsmittel sei. Die Mitgliedstaaten seien deswegen verpflichtet, schutzbedürftigen Personen ohne Zugang zu grundlegenden Finanzdienstleistungen zu ermöglichen, ihre Verpflichtungen - insbesondere die öffentlich-rechtlicher Art - ohne zusätzliche Belastung zu erfüllen.

Anhand dieser Maßstäbe hat nun das BVerwG die Beitragssatzung des HR zu überprüfen. Der Generalanwalt hat an der Regelung aber so seine Zweifel, da die Vorschrift Euro-Banknoten offenbar absolut und ausnahmslos ausschließe, ohne dass die Funktion sozialer Eingliederung berücksichtigt worden sei.

Ein Urteil des EuGH wird in einigen Wochen erwartet. Bis dahin hat das BVerwG die Revisionsverfahren ausgesetzt. Solange bleiben die bisherigen Regelungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags in Verbindung mit den Satzungen der Rundfunkanstalten bestehen - Barzahlung ist vorerst also nicht möglich.

Zitiervorschlag

EuGH-Generalanwalt zum Rundfunkbeitrag: . In: Legal Tribune Online, 29.09.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42949 (abgerufen am: 23.11.2024 )

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