Dass er sich rechtmäßig in Großbritannien aufhält, kann ein Brite leichter nachweisen als ein anderer EU-Bürger. Daher dürfe dies beim Antrag auf Sozialleistungen nicht geprüft werden, fand die Kommission. Der Generalanwalt sieht das anders.
Die EU-Kommission hat das Vereinigte Königreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagt (Az. C-308/14). Ihrem Vorwurf nach verstößt der Staat gegen die EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, weil er die Gewährung bestimmter Soziallleistungen von einer rechtlichen Überprüfung des Aufenthaltsstatus der Antragsteller abhängig macht.
Zahlreiche Unionsbürger hatten sich bei der Kommission beschwert, weil ihnen Sozialleistungen teilweise versagt worden waren. Nach Ansicht der Kommission liegt in der verpflichtenden Prüfung der Aufenthaltsberechtigung von Antragstellern eine Diskriminierung von Bürgern anderer Mitgliedstaaten. Die EU-Verordnung stelle schließlich nur auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Antragstellers ab, äußere sich aber nicht zur Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts. Eine Prüfung dieser Art lasse sich damit nicht begründen.
Großbritannien verteidigte sein Vorgehen unter Verweis auf eine Entscheidung des EuGH aus 2013, wonach das Unionsrecht einer vergleichbaren Regelung nicht entgegenstehe (Urt. v. 19.09.2013, Az. C-140/12). Auch wenn der Nachweis der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts von den eigenen Bürgern deutlich leichter zu erbringen sei, so sei die Maßnahme doch verhältnismäßig, weil nur so sichergestellt werden könne, dass nur an Personen gezahlt werde, die "ausreichend integriert" seien.
Vorbehalt auch ohne ausdrückliche Regelung
Generalanwalt Cruz Villalón hat dem EuGH nun vorgeschlagen, die Klage der Kommission abzuweisen und sich überwiegend der Ansicht des Vereinigten Königreichs anzuschließen. Es gehe im Kern schließlich nur darum, im Rahmen der Gewährung bestimmter Sozialleistungen die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nach dem Unionsrecht zu prüfen. Zusätzliche Anforderungen gebe es nicht.
Der Generalanwalt betonte zudem, dass das Recht der Unionsbürger, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, nur unter den in Richtlinie 2004/38 genannten Voraussetzungen besteht. Wenn sich jemand unter Verstoß gegen diese Voraussetzungen in einem Mitgliedsstaat aufhalte, so stehe ihm ein Anspruch auf Sozialleistungen nicht zu. Daher sei das Argument der Kommission, der Begriff "Aufenthalt" in der Sozialleistungs-Verordnung unterliege keinem gesetzlichen Vorbehalt, nicht zutreffend.
Zwar würden britische und andere Unionsbürger unterschiedlich behandelt, da die Prüfung für Letztere gewisse Unannehmlichkeiten bedeute, wohingegen Erstere den Nachweis der Aufenthaltsberechtigung ohne Weiteres erbringen können. Diese mittelbare Diskriminierung sei aber durch das Interesse Großbritanniens an der Schonung seines Finanzhaushalts gerechtfertigt. Nur so könne sich der Mitgliedstaat Gewissheit schaffen, dass er Sozialleistungen nicht an Personen zahlt, die darauf gar kein Anrecht haben.
una/LTO-Redaktion
EuGH-Generalanwalt zu Sozialleistungen für Unionsbürger: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17111 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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