Wird eine Ehe, aus der ein Gatte bereits verstorben ist, von einem Dritten angefochten, richtet sich die Gerichtszuständigkeit nach Unionsrecht. Dies entschied am Donnerstag der EuGH. In einem Fall, den sich keine Soap besser ausdenken könnte.
Wenn der Streit in der Familie die Gerichte beschäftigt, ist das unerfreulich genug. Dass er sogar den Europäischen Gerichtshof (EuGH) beschäftigt, ist doch eher selten. Aber wenn eine Ehe nach dem Tod eines Ehegatten durch Dritte angefochten wird, ist die Zuständigkeitsverordnung der Europäischen Union (EU) anwendbar, entschieden die Luxemburger Richter am Donnerstag (EuGH, Urt. v. 13.10.2016, Az. C-294/15).
Grundlage war ein Vorabentscheidungsersuchen des Warschauer Berufungsgerichts, das die Frage der Zuständigkeit polnischer Gerichte zu klären hatte. Die Klägerin machte geltend, die testamentarische Erbin der ersten Ehefrau des inzwischen verstorbenen Gatten der Beklagten zu sein. Dieser hatte die Erblasserin im Jahr 1937 geheiratet. Im Jahr 1956 aber hatte es ihn offenbar noch einmal erwischt. Und zwar so sehr, dass er noch einmal heiratete. In Paris ging er den Bund fürs Leben mit der heutigen Beklagten ein, lange vor dem Tod seiner ersten Frau im Jahr 1999. Zwei Ehen gleichzeitig, das geht auch in Polen nicht. Die zweite Ehe sei somit eine verbotene bigamische Verbindung gewesen, argumentierte die Klägerin.
Die heute in Frankreich lebende Beklagte entgegnete dem Vorbringen mit einem formellen Einwand: Nach ihrer Auffassung hätte die Klage vor einem französischen Gericht erhoben werden müssen. So wurde die Frage relevant, ob die Verordnung Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung hier Anwendung findet.
Dritter kann nicht an seinem Aufenthaltsort klagen
Die Verordnung gilt vor allem für Zivilsachen, welche die Ehescheidung, eine anderweitige Trennung oder die Ungültigkeit einer Ehe zum Gegenstand haben. Das Warschauer Berufungsgericht wollte nunmehr wissen, ob sie auch auf den vorliegenden Fall anwendbar ist und ob eine dritte Person sich auf sie berufen kann.
Nach Auffassung des Gerichtshofs ist die Verordnung anwendbar. Weder werde darin nach dem Zeitpunkt der Eheanfechtung, also vor oder nach dem Tod eines Gatten, noch nach der Identität der antragstellenden Person differenziert. Schließlich könne auch ein Dritter ein rechtliches Interesse an der Annullierung einer Ehe auch nach dem Tod eines Gatten haben.
Allerdings, so die Richter in Luxemburg, könne sich die dritte Person nicht auf alle Bestimmungen der Verordnung berufen. Art. 3 Abs. 1 a) verleiht den Gerichten des Mitgliedstaates, in denen der Antragssteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, unter bestimmten Voraussetzungen die Zuständigkeit für die Eheauflösung. Dies diene aber einzig den Interessen der Ehegatten, so dass jemand anderes von dieser Regelung nicht profitieren könne. Antragsteller im Sinne der Norm könnten demnach nur die Ehegatten sein. Eine Klage in Polen dürfte nach dieser Auslegung also ausgeschlossen sein. Und die zwei Ehen des verstorbenen Schwerenöters bleiben vorerst gültig.
mam/LTO-Redaktion
EuGH zur Zuständigkeit bei Eheannullierung: . In: Legal Tribune Online, 13.10.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20855 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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