EuGH zu essentiellen Patenten: Klage als Macht­miss­brauch?

17.07.2015

Der EuGH hat die Bedingungen präzisiert, unter denen vom Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung eines Unternehmens durch die Erhebung einer Patentverletzungsklage auszugehen ist.

Erhebt ein marktbeherrschender Inhaber eines standardessentiellen Patents (SEP) eine Unterlassungsklage gegen einen angeblichen Patentverletzer, kann das unter bestimmten Umständen einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darstellen. Wie genau diese Umstände aussehen müssen, konkretisierte der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in seinem Urteil von Donnerstag anhand einer Klage des Mobilfunkherstellers Huawei gegen die ZTE-Gruppe (Az. C-170/13).

Das chinesische Telekommunikationsunternehmen Huawei besitzt ein europäisches Patent, ohne das der "Long Term Evolution" (LTE)-Standard, über den heute fast alle Mobiltelefone miteinander kommunizieren können, nicht funktioniert. Dieser Standard wird vom Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) normiert. Weil bei Nutzung dieses Mobilfunkstandards der vierten Generation das von Huawei gehaltene Patent zwangsläufig berührt wird, wird es als "essentiell" eingestuft. Um den Status eines SEP zu erlangen, musste sich Huawei verpflichten, diese Technologie allen Marktteilnehmern zu sog. FRAND-Bedingungen (fair, zumutbar und diskriminierungsfrei) zugänglich zu machen.

Die chinesische Unternehmensgruppe ZTE vertreibt in Deutschland unter anderem Basisstationen mit LTE-Software, sodass sie automatisch das Patent von Huawei benutzt. Nachdem die Gespräche zwischen Huawei und ZTE über den Abschluss eines Lizenzvertrags zu FRAND-Bedingungen ergebnislos geblieben waren, erhob Huawei beim Landgericht (LG) Düsseldorf eine Patentverletzungsklage gegen ZTE, gerichtet auf Unterlassung, Rechnungslegung, Rückruf und Schadensersatz. Nach Auffassung von ZTE stellt die Klage den Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar, da ZTE seinerseits die Bereitschaft zu Verhandlungen über eine Lizenz erklärt habe.

EuGH gibt Unternehmen konkrete Handlungsanweisungen

Das LG Düsseldorf hat den Gerichtshof gebeten, die Bedingungen zu präzisieren, unter denen ein Unternehmen in marktbeherrschender Stellung wie Huawei diese Stellung dadurch missbraucht, dass es eine Patentverletzungsklage erhebt. Der EuGH hat den Unternehmen nun konkrete Handlungsanweisungen gegeben, wie sich beide in einem solchen Fall zu verhalten hätten, bevor die Erhebung einer Klage zulässig sein kann. Dabei unterscheidet er zwischen Klagen auf Unterlassung oder Rückruf und Klagen auf Rechnungslegung und Schadensersatz.

Vor einer Unterlassungs- bzw. Rückrufklage müsse der Patentinhaber, wenn er sich zuvor verpflichtet hat, Dritten Lizenzen zu FRAND-Bedingungen zu erteilen, den angeblichen Patentverletzer auf seine vermeintliche Verletzung hinweisen, diese konkret benennen und ein Lizenzangebot unterbreiten. Nimmt das andere Unternehmen dieses Angebot nicht an, so müsse dieses innerhalb einer kurzen Frist ein Gegenangebot unterbreiten, welches ebenfalls den FRAND-Bedingungen entsprechen müsse. Erst, wenn dieses Verfahren erfolglos geblieben sei, dürfe der Patentinhaber klagen.

Eine Klage auf Rechnungslegung und Schadensersatz hingegen sei bereits ohne diese vorhergehende Prozedur möglich. Diese Klagen hätten nämlich keine unmittelbaren Auswirkungen darauf, ob dem Standard entsprechende, von Wettbewerbern hergestellte Produkte auf den Markt gelangen oder auf dem Markt bleiben.

Damit konkretisiert der EuGH für die SEP den in seiner früheren Rechtsprechung geschaffenen Ausgleich zwischen der unionsrechtlich gewährleisteten Ausübung ausschließlicher Rechte aus dem geistigen Eigentum wie etwa einem Patent und dem freien Wettbewerb. Der Gedanke dahinter war bereits in dem damaligen Urteil, dass das Erheben von Unterlassungsklagen grundsätzlich zu den Vorrechten eines Patentinhabers gehört und nicht per se als Missbrauch einer beherrschenden Stellung gedeutet werden kann. Dies könne nur unter außergewöhnlichen Umständen der Fall sein (Vgl. auch EuGH Urt. v. 29.04.2004, Az. C-418/01).

ahe/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EuGH zu essentiellen Patenten: . In: Legal Tribune Online, 17.07.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16250 (abgerufen am: 17.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen