Etappensieg für neue Internet-Regeln: EU-Rechts­aus­schuss stimmt für Leis­tungs­schutz und Upload-Filter

20.06.2018

Die einen sehen das freie Internet bedroht, die anderen glauben an Gerechtigkeit für Urheber. Am Mittwoch hat sich der Rechtsausschuss im Europäischen Parlament für Upload-Filter und Leistungsschutzrecht für Presseverlage ausgesprochen.

Der Rechtsausschuss im Europäischen Parlament hat sich beim europäischen Urheberrecht für die umstrittene Einführung von Upload-Filtern auf großen Online-Plattformen und das sogenannte Leistungsschutzrecht für Presseverlage ausgesprochen. Beide Entwürfe erhielten am Mittwoch in einer geheimen Abstimmung eine knappe Mehrheit. Aller Voraussicht nach wird das Plenum im Juli darüber entscheiden, ob das Parlament zu diesem Thema in Verhandlung mit den EU-Staaten treten wird.

Grundlage des Entwurfs, über den der Rechtsausschuss abstimmte, war ein Gesetzesvorschlag, den der damalige EU-Digitalkommissar Günther Oettinger 2016 vorgelegt hatte.

Leistungsschutzrechte wie für Film, Fernsehen und Musik

Durch die neuen Leistungsschutzrechte sollen Suchmaschinen wie Google künftig nicht mehr ohne Erlaubnis Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Suchergebnissen anzeigen dürfen. Vor allem Verlegerverbände hatten sich dafür in den vergangenen Jahren stark gemacht und gefordert, dass Zeitungen und Zeitschriften mit anderen Medien gleichgestellt werden müssten.

28 Chefredakteure deutscher Tageszeitungen drängten am Dienstag in einen Brief an die deutschen Europaabgeordneten auf ein EU-weites Leistungsschutzrecht: "Wir sehen mit großer Sorge, dass die Finanzierung der Arbeit der Redaktionen zunehmend in Frage steht, weil kommerzielle Unternehmen Schlagzeilen, Textausschnitte oder ganze Artikel aus den digitalen Angeboten der Pressehäuser übernehmen, ohne hierfür zu zahlen", hieß es in dem Schreiben. Die Presse brauche jedoch den "gleichen robusten Schutz, der Film, Fernsehen und Musik schon lange zugestanden wird".

Der verantwortliche Berichterstatter des Ausschusses, Axel Voss (CDU), sprach von einer guten Ausgangssituation für die Verhandlungen mit den EU-Ländern. "Rechteinhaber müssen fair entlohnt werden."

Rudolf Thiemann, Präsident des Verbands deutscher Zeitschriftenverleger, betonte gegenüber der dpa: "Professioneller Journalismus ist die beste und wichtigste Reaktion auf Polemik und Falschinformationen im Internet. Weil die Verlage mit ihren Investitionen für diese Leistung garantieren, müssen Dritte an der Ausbeutung besser als bisher gehindert werden können."

Ist die Meinungsfreiheit im Netz gefährdet?

Kritiker hingegen sehen den freien Informationsfluss im Netz eingeschränkt. Das Leistungsschutzrecht werde die Position von Urhebern nicht stärken, sagte der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken. Kleine Verlage würden dadurch sogar geschwächt. "Damit diese überhaupt eine Online-Leserschaft finden, sind sie darauf angewiesen, von Suchmaschinen gelistet zu werden."

Der Grünen-Abgeordneten Julia Reda zufolge dürften dem aktuellen Vorschlag zufolge künftig auch Privatpersonen keine Vorschauen mehr auf Zeitungstexte auf Internet-Plattformen wie Facebook posten. Sie sieht deshalb die Meinungs- und Informationsfreiheit gefährdet. Der Hauptgeschäftsführer des Digitalverbands Bitkom, Bernhard Rohleder, warnte: "Das EU-Parlament ignoriert die schlechten Erfahrungen aus Deutschland und Spanien mit solch einem Recht."

In Deutschland war das umstrittene Leistungsschutzrecht für Presseverlage zum 1. August 2013 in Kraft getreten. Im August 2014 erteilten etliche Verlage innerhalb der Verwertungsgesellschaft Media eine "Gratiseinwilligung" an Google, weil sie sonst nicht mehr mit Kurzvorschauen sogenannten Snippets dargestellt worden wären. In Spanien hatte Google seinen Dienst Google News indes komplett eingestellt, nachdem ein Gesetz in Kraft getreten war, das noch schärfer als das deutsche Leistungsschutzrecht gefasst ist.

Zensur durch Upload-Filter

Der Gesetzesentwurf sieht außerdem vor, dass bestimmte große Online-Plattformen wie Youtube, Facebook oder Instagram schon während des Hochladens von Videos, Audios oder Fotos prüfen müssen, ob diese urheberrechtlich geschützt sind. Diese müssten sie dann gegebenenfalls sperren oder entsprechende Lizenzen dafür erwerben oder eben für illegale Inhalte der Nutzer haften. Damit würde das bisherige Grundprinzip umgekehrt. Denn bisher haften die Nutzer für ihre Postings.

Kritiker befürchten durch eine solche Neuregelung das Ende des freien Internets und sehen die Meinungsfreiheit bedroht. Upload-Filter würden für Zensur sorgen. "Das Internet, wie wir es kennen, wird sich ändern, wenn Plattformen systematisch Inhalte filtern müssen, die Nutzer hochladen", sagte die Generaldirektorin des europäischen Datenschutzverband Beuc Monique Goyens. Dadurch werde das Netz von einem Ort des Teilens zu einem Ort der Kontrolle.

Außerdem kritisieren sie, dass Upload-Filter nicht wissen können, ob geschützte Inhalte legal - etwa als Parodie oder Zitat - genutzt werden. Sie sehen auch das Erstellen sogenannter Memes (Internet-Insiderwitze), die häufig auf Kurzsequenzen aus bekannten Filmen beruhen, gefährdet.

Dem schließt sich auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen in Deutschland an. "Besonders bitter ist, dass keine wirksamen Gegenmaßnahmen für Nutzer eingeführt wurden, um ihre rechtmäßigen Inhalte vor entsprechender Blockierung zu schützen", bemängelt Vorstandsmitglied Klaus Müller. "Vollkommen legale Inhalte können so mit Verweis auf die Nutzungsbedingungen der Plattform leicht verschwinden."

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Etappensieg für neue Internet-Regeln: . In: Legal Tribune Online, 20.06.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/29267 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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