Bis zur 12. Woche sollen Schwangerschaftsabbrüche rechtmäßig und die Pflicht zur vorherigen Beratung zu einem Rechtsanspruch umgewandelt werden. Das sieht ein fraktionsübergreifender Gesetzentwurf vor. Von FDP und Union kommt Kritik.
Abgeordnete aus mehreren Bundestagsfraktionen wollen noch vor der Bundestagswahl eine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in den ersten drei Monaten erreichen. Die geltende Regelung stelle “eine erhebliche Einschränkung der Selbstbestimmung, der persönlichen Integrität und der körperlichen Autonomie Schwangerer dar und kann ihrer körperlichen und seelischen Gesundheit Schaden zufügen”, heißt es in dem Gesetzentwurf, der hier heruntergeladen werden kann.
FDP-Rechtspolitikerin: “Keine Abstimmung übers Knie brechen”
“Wir stellen den Antrag zur Neuregelung von Schwangerschaftsabbrüchen, weil wir davon ausgehen, dass er noch in dieser Legislaturperiode beschlossen werden kann”, erklärten die Grünen-Abgeordnete Ulle Schauws und Carmen Wegge von der SPD gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Der Bundestag kann noch bis zu seiner derzeit für den 23. Februar geplanten Neuwahl Gesetze beschließen.
Wie viele Parlamentarierinnen und Parlamentarier am Ende hinter dem fraktionsübergreifenden Vorstoß stehen, konnten die Organisatoren am Donnerstamorgen nicht sagen. Der Antrag solle im Laufe des Donnerstags eingereicht werden, die Zahl seiner Unterstützer werde noch anwachsen.
Zu ihnen wird definitiv nicht die rechtspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Katrin Helling-Plahr, gehören. Zu LTO sagte die Fachanwältin für Medizin- und Familienrecht: “Ich bin nicht Teil dieser Gruppe von Abgeordneten. Ich halte es überdies für höchst unangebracht, ein so komplexes medizinethisches Thema in so kurzer Zeit behandeln und für den Wahlkampf nutzen zu wollen. Statt nun eine Abstimmung übers Knie zu brechen, bräuchte es eine breite gesellschaftliche Debatte, um diesem Thema gerecht zu werden.”
Union: “Verfahren der Antragsteller ist unanständig”
Der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Günter Krings (CDU), geht davon aus, dass von CDU/CSU kein MdB den Antrag mitzeichnen wird. “Ich gehe nicht davon aus, dass der Entwurf Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen aus meiner Fraktion erhalten wird. Unsere Position ist klar: Unserer Verfassung schützt auch das ungeborene Leben und deshalb folgt unser Strafgesetzbuch einem Lebensschutzkonzept. Das ist für uns aus ethischen Gründen unverzichtbar”, so Krings gegenüber LTO.
Krings hält die bestehende Rechtslage auch für verfassungsrechtlich geboten: “Man kann auch nicht die Stabilität unseres Grundgesetzes hochhalten und gleichzeitig den Lebens- und Menschenwürdeschutz für ungeborene Kinder schleifen. Offenbar scheuen die Befürworter dieses Antrag eine gründliche Diskussion dazu und wollen nun in einem Hauruckverfahren das durch den Bundeskanzler geschaffene Regierungschaos für ihre Ziele ausnutzen. Das ist auch vom Verfahren her unanständig.”
Straffrei, aber rechtswidrig
Schwangerschaftsabbrüche sind bisher laut § 218 des Strafgesetzbuches (StGB) rechtswidrig. Tatsächlich bleibt ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen aber straffrei,
wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Ohne Strafe bleibt ein Abbruch zudem, wenn medizinische Gründe vorliegen oder wenn er wegen einer Vergewaltigung vorgenommen wird. Über die Abschaffung des Paragrafen wird seit Jahren gestritten.
Nach dem Vorschlag der Abgeordneten sollen Abtreibungen bis zur zwölften Woche rechtmäßig werden. Die Pflicht zur Beratung bliebe bestehen, allerdings ohne die derzeit geltende Wartepflicht von drei Tagen zwischen Beratung und Abtreibung. Wenn eine Abtreibung ohne Beratungsbescheinigung vorgenommen wird, soll sich künftig nur der Arzt oder die Ärztin strafbar machen. Die Frau bliebe straffrei.
Die Kosten für eine Abtreibung sollen die gesetzlichen Krankenkassen tragen. Zudem sollen Abbrüche nicht mehr im Strafgesetzbuch, sondern im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden, in dem es um Vorgaben für die Beratung geht.
Abgeordnete kritisieren Widersprüche
Die aktuelle Regelung enthalte Widersprüche, heißt es in dem Entwurf. Denn es gebe zwar ein gesetzliches Verfahren. Doch selbst bei Einhaltung aller Vorgaben könnten Abtreibungen nicht rechtmäßig durchgeführt werden - was abschreckend auf medizinisches Personal wirke. Zudem mache es die aktuelle 12-Wochen-Frist in Kombination mit Beratungspflicht und dreitägiger Wartefrist Schwangeren schwer, die sich erst kurz vor Ablauf der Frist zum Abbruch entscheiden. Das gelte auch für Schwangere, die in Regionen leben, in denen sie nur schwer einen Arzt oder eine Ärztin finden, die den Eingriff vornehmen. Auch die fehlende Kostenübernahme durch die Krankenversicherung sei ein Problem.
Eine Expertenkommission der Bundesregierung hatte im Frühjahr unter anderem empfohlen, Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen grundsätzlich zu erlauben. Gegenüber LTO äußerte kürzlich eine Sprecherin des Bundesjustizministerium (BMJ), dass die Prüfung des Abschlussberichts der Kommission noch andauere. Der damlige Justizminister Marco Buschmann (FDP) hatte zuletzt im Sommer zu der Thematik gesagt: "Beim Schwangerschaftsabbruch stellen sich besonders schwierige verfassungsrechtliche Fragen. Hier gibt es auch innerhalb der Regierungsfraktionen und in der Gesellschaft sehr unterschiedliche Perspektiven."
Erst im Oktober hatten einige Verbände, darunter Pro Familia, ebenfalls einen Gesetzentwurf vorgestellt. Dieser geht weiter als der Entwurf der Fraktionen und sieht die vollständige Legalisierung bis zur 22. Woche vor.
Paus: Frauen dürfen nicht kriminalisiert werden
Unterdessen unterstützt Bundesfrauenministerin Lisa Paus den Gruppenantrag. Frauen müssten eigenständig und selbstbestimmt über den Umgang mit der Schwangerschaft entscheiden können - “und zwar ohne kriminalisiert zu werden”, sagte die Grünen-Politikerin.
Diese Haltung werde in der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung und über alle Parteigrenzen hinweg geteilt. Sie kritisierte, dass Teile der Bundesregierung nicht den politischen Willen gehabt hätten, "einen gemeinsamen Gesetzentwurf auf der Basis der von ihr eingesetzten Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin zu verabschieden”.
Neben dem Gesetzentwurf bringen die Abgeordneten auch einen Antrag (Hier) in den Bundestag ein. Darin wird die Bundesregierung unter anderem aufgefordert, mehr Möglichkeiten für Krankenkassen zur Kostenübernahme für Verhütungsmittel zu schaffen und mehr Forschungsmittel für Verhütungsmittel gerade auch für Männer zur Verfügung zu stellen. Außerdem sollten Schwangerschaftsabbrüche besser in die medizinische Aus- und Weiterbildung integriert werden und ein verbindlicher Teil der Ausbildung werden.
Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche hatte die Ampel bereits 2022 abgeschafft (ehemals § 219a StGB).
Mit Material von dpa
Fraktionsübergreifender Antrag: . In: Legal Tribune Online, 14.11.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55862 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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