Wahl in Straßburg: Sei­bert-Fohr wird deut­sche Rich­terin am EGMR

27.06.2019

Die Juristin und Hochschullehrerin Anja Seibert-Fohr wird die neue deutsche Richterin am EGMR.

Professor Dr. Anja Seibert-Fohr erhielt am Donnerstag bei der Sitzung der Parlamentarischen Versammlung des Europarats 82 von 128 gültigen Stimmen für das Richteramt am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Die 50-Jährige setzte sich damit gegen den Völkerrechtler und Hochschullehrer Thilo Marauhn sowie die Richterin am Bundesgerichtshof, Christiane Schmaltz, durch.

Seibert-Fohr arbeitet seit 2016 an der Juristischen Fakultät der Universität Heidelberg am Institut für Staatsrecht, Verfassungslehre und Rechtsphilosophie. Sie hat dort den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völkerrecht und Menschenrechte inne. Von 2013 bis 2017 war sie zudem Mitglied des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen.

Die Kandidaten wurden vom Bundeskabinett vorgeschlagen. Die neue Mandatsträgerin wird Anfang 2020 Angelika Nußberger ablösen, seit 2011 die deutsche Stimme am EGMR und mittlerweile auch Vizepräsidentin des Gerichtshofs. Sie hoffe, dass der Gerichtshof weiterhin so effektiv wie bisher arbeiten könne, auch wenn das politische Fahrwasser derzeit nicht einfach sei, sagte Nußberger nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Als Richter am EGMR habe man die Chance, die deutsche Rechtskultur miteinzubringen.

19 Urteile zu Deutschland in 2018

Der Gerichtshof gehört zum Europarat mit Sitz im französischen Straßburg. Die Staatenorganisation fördert die demokratische Entwicklung in seinen 47 Mitgliedsländern - neben den EU-Ländern gehören unter anderem auch die Türkei und Russland dem Europarat an.
Die wichtigste Konvention ist dabei die Europäische Menschenrechtskonvention. Die müssen alle Staaten vor ihrem Beitritt unterzeichnen.

Wer seine Grundrechte verletzt glaubt, kann den 1959 gegründeten EGMR anrufen. Die Hürden für eine Anerkennung sind allerdings hoch, die meisten Beschwerden werden abgewiesen. In erster Linie sollen die Nationalstaaten die Grundrechte schützen. So muss in Deutschland zunächst das Bundesverfassungsgericht einen Kläger abweisen, damit sich dieser überhaupt an Straßburg wenden kann.

Im vergangenen Jahr bearbeitete der EGMR nach eigenen Angaben 501 Beschwerden, bei denen es um deutsche Fälle ging. 478 von ihnen wurden demnach abgewiesen. 23 Beschwerden wurden angenommen, in 19 Fällen Urteile gesprochen, in zwei Fällen wurde mindestens ein Verstoß gegen die Menschenrechtskonvention festgestellt.

Deutschland musste im Laufe der Jahre auf Drängen des EGMR zum Beispiel sein System zur Sicherungsverwahrung von Straftätern nachbessern. Der Gerichtshof stärkte auch die Rechte von unverheirateten Vätern und entschied, dass Kruzifixe in Klassenzimmern mit der Menschenrechtskonvention vereinbar seien.

dpa/LTO-Redaktion

aktualisiert um 19.12 Uhr

Zitiervorschlag

Wahl in Straßburg: . In: Legal Tribune Online, 27.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36151 (abgerufen am: 12.11.2024 )

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