EGMR zu Kritik am Propheten Mohammed: Nicht nur was man sagt, son­dern auch in wel­cher Zeit

25.10.2018

Eine Österreicherin, die den muslimischen Propheten Mohammed als Pädophilen bezeichnet hatte, ist zu Recht dafür verurteilt worden, sagt der EGMR. In der zur Zeit aufgeheizten Stimmung müsse man besonders darauf achten, was man sagt.

Nicht nur der reine Inhalt oder der unmittelbare Kontext einer Aussage bestimmen darüber, ob diese von der Meinungsfreiheit gedeckt ist, meint der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Wer sich in einer aufgeheizten gesellschaftlichen Debatte einschaltet, muss nach Auffassung der Straßburger Richter auch bedenken, was er damit bewirken könnte (Urt. v. 25.10.2018, Az. 38450/12). 

Sie äußerten sich zu dem Thema im Fall einer 47-jährigen Österreicherin, die im Jahr 2009 zwei Seminare zum Thema "Grundlagen des Islam" gegeben hatte. Darin sprach sie u. a. die Ehe des Propheten Mohammed mit einem Mädchen namens Aisha an, die bei Eheschließung sechs Jahre alt gewesen sein soll, beim Vollzug der Ehe (gemeint ist damit der erste Geschlechtsverkehr) gerade neun Jahre. Sie erklärte dabei, Mohammed "hatte nun mal gerne mit Kindern ein bisschen was" und empörte sich: "Ein 56-Jähriger und eine Sechsjährige (...) Wie nennen wir das, wenn es nicht Pädophilie ist?". 

Am 15. Februar 2011 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen in Wien die Frau dafür zu einer Geldstrafe i. H. v. 480 Euro und dem Ersatz der Verfahrenskosten. Die Berufung und auch ein Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens vor dem Obersten Gerichtshof scheiterten, sodass sie sich schließlich an den EGMR wandte. Sie berief sich dabei auf Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), der die Meinungsfreiheit schützt.

EGMR: Gesellschaftliches Klima muss berücksichtigt werden

In ihren Augen hatten die österreichischen Gerichte ihren Äußerungen nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet. Sonst, so ihre Argumentation, hätten sie zu dem Schluss kommen müssen, dass es sich dabei nicht um bloße Werturteile, sondern um tatsachenbasierte Äußerungen gehandelt habe. Außerdem habe ihre Kritik zu einer lebhaften Diskussion beigetragen und sei nicht dazu gedacht gewesen, den Propheten zu diffamieren. Eine sachliche Kritik müssten Angehörige von Religionsgemeinschaften schon aushalten können.

Letztere Ansicht teilte der EGMR natürlich und stellte in seinem Urteil zunächst einmal klar, dass die Religionsfreiheit nicht davor schütze, dass die eigene Religion - auch harsch - kritisiert werde. Allerdings sei Kritik dort nicht mehr schützenswert, wo sie zu religiöser Intoleranz führen könne. Dies sah man hinsichtlich der Äußerungen der Österreicherin gegeben und zog dafür auch die zur Zeit hitzig geführte Islam-Debatte heran, die auch in ihrem Land - Stichwort: Verschleierungsverbot - weite Kreise zieht.

Es handele sich hier um ein sehr sensibles Thema, konstatierten die Straßburger Richter, bei dem die Beurteilung der Aussagen z. T. von Zeitpunkt und Kontext, wie auch der gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation im jeweiligen Land abhänge. Dementsprechend müsse den nationalen Behörden ein weiter Beurteilungsspielraum zugemessen werden, da sie schließlich besser beurteilen könnten, was geeignet sei, den religiösen Frieden in ihrem Land zu stören.

EGMR: Sachlicher Bezug fehlte

Anschließend führte der Gerichtshof noch ein wenig zu Werturteilen und deren Grenzen aus. Zu unterscheiden sei zwischen reinen Werturteilen und solchen, die auf einem Tatsachenkern basierten. Die Aussagen, welche die Frau in ihren Seminaren getroffen hatte, beruhten z. T. auf unwahren Tatsachenbehauptungen, stellte man fest. Sie hätte suggeriert, dass Mohammed im Allgemeinen ein Pädophiler gewesen sei und auch nicht den historischen Hintergrund zu diesem Thema erläutert. Weil damit ihrem Urteil über den Propheten ein wahrer Kern gefehlt habe und es nicht auf objektive Weise getätigt worden sei, hätten die Gerichte es nachvollziehbar beanstandet.

Im Übrigen hätten die Gerichte auch sorgfältig die Meinungsfreiheit der Österreicherin gegenüber den religiösen Befindlichkeiten der Muslime im Land abgewogen, befand der EGMR. Auch das Vorbringen der Frau, ein paar pointierte Äußerungen ohne konkreten sachlichen Bezug hätten in einer lebhaften Debatte akzeptiert werden müssen, drang bei den Richtern nicht durch. Bloß weil andere Aussagen im Rahmen des Seminars von der Meinungsfreiheit gedeckt gewesen seien, gelte das noch lange nicht für die hier umstrittenen Aussagen.

Ein Strafurteil sah man im Übrigen auch nicht als unverhältnismäßige Sanktion an, da es mit einer kleinen Geldstrafe vergleichsweise moderat ausgefallen sei. Angesichts der Äußerungen sei eine Verurteilung wegen der Herabwürdigung religiöser Lehren durchaus gerechtfertigt gewesen.

mam/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

EGMR zu Kritik am Propheten Mohammed: . In: Legal Tribune Online, 25.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31701 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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