Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Polen darf Häft­ling nicht nach China aus­lie­fern

06.10.2022

Die Lage in chinesischen Gefängnissen sei mit einer "allgemeinen Gewaltsituation" gleichzusetzen, so der EGMR. Polen darf daher einen Häftling nicht dorthin ausliefern – und muss außerdem 18.000 Euro Entschädigung zahlen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat Polen im Zusammenhang mit der geplanten Auslieferung eines Häftlings nach China zu Entschädigungszahlungen verurteilt. Der Mann befinde sich unangemessen lang in Haft und sei durch das drohende Strafverfahren in China Folter und anderen Formen von Misshandlung ausgesetzt, teilten die Richter:innen am Donnerstag in Straßburg mit (Urt. v. 06.10.2022, Antragsnr. 37610/18).

Der Mann wurde 2016 wegen internationalen Telekommunikationsbetrugs von Interpol gesucht und 2017 in Polen verhaftet. China forderte daraufhin seine Auslieferung. Einen Asylantrag des gebürtigen Taiwanesen lehnte Polen ab. Seitdem sitzt er in Haft, die regelmäßig verlängert wurde. Er klagte vor dem EGMR, dass seine Auslieferungshaft willkürlich und unangemessen lang sei und ihm bei einer Auslieferung nach China Folter und ein unfaires Strafverfahren drohten.

Der Gerichtshof gab dem Mann Recht. Die Richter:innen stellten fest, dass die Lage in chinesischen Gefängnissen mit einer "allgemeinen Gewaltsituation" gleichzusetzen sei. Der Mann sei bei einer Auslieferung nach China dem Risiko von Misshandlungen ausgesetzt. Außerdem hätten die polnischen Behörden den üblichen Zeitraum für ein solches Auslieferungsverfahren nicht eingehalten. Polen muss dem Mann deswegen nun insgesamt 18.000 Euro Entschädigung zahlen.

dpa/pdi/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: . In: Legal Tribune Online, 06.10.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49816 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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