2005 starb Oury Jalloh in Polizeigewahrsam in Dessau-Roßlau. Mehrere Prozesse folgten, doch an den genauen Umständen bestehen bis heute Zweifel. Nun hat die Familie Jallohs Beschwerde beim EGMR eingereicht.
Die Familie des 2005 in einer Polizeiwache in Sachsen-Anhalt verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh zieht vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Der Bruder des Toten habe am Montag Beschwerde eingereicht, teilte ein Gerichtssprecher am Mittwoch in Straßburg mit. Der Beschwerdeführer beruft sich demnach unter anderem auf das Recht auf Leben aus Art. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), auf das Verbot der Folter aus Art. 3 EMRK und das Diskriminierungsverbot aus Art. 14 EMRK (Az. 26578/23).
Vor mehr als 18 Jahren war der aus Sierra Leone stammende Jalloh gefesselt auf einer Matratze liegend in einer Zelle in Dessau in Sachsen-Anhalt gestorben. Er stand unter Alkohol- und Drogeneinfluss. Wer die Matratze anzündete, ist auch nach zwei Landgerichtsprozessen bis heute unklar.
Nach den Ermittlungen der Behörden soll Jalloh den Brand selbst gelegt haben, obwohl er an Händen und Füßen gefesselt war. Ein Polizist wurde 2012 wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, weil er nicht dafür gesorgt hatte, dass der Mann korrekt beaufsichtigt wurde. In einem 300-seitigen Untersuchungsbericht stellten zwei Sonderermittler zahlreiche Fehler der Polizei und anderer Behörden fest.
Mehrere Initiativen, Freunde und Familie des Gestorbenen sprechen von "Mord" und von "offensichtlichen Missständen und Widersprüchen im Bereich der Polizeiarbeit". Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Einstellung der Ermittlungen nicht gegen das Grundgesetz verstößt.
Ein Urteil ist frühestens in einigen Monaten zu erwarten, wohl eher in einigen Jahren.
dpa/pab/LTO-Redaktion
Nach Tod im Polizeigewahrsam: . In: Legal Tribune Online, 06.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52170 (abgerufen am: 04.11.2024 )
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