Wer Kinder im Internet kontaktiert, um sie sexuell zu belästigen, macht sich strafbar. Das soll nun auch greifen, wenn statt eines Kindes ein verdeckter Ermittler am Rechner sitzt. Kritiker sehen eine bedenkliche Vorverlagerung der Strafbarkeit.
Die Bundesregierung setzt sich für eine Verschärfung im Kampf gegen Kinderpornographie und sexuellen Missbrauchs von Kindern ein. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch beschlossen, eine Änderung des Strafgesetzbuchs (StGB) auf den Weg zu bringen. Strafrechtsexperten hatten im Vorfeld die Pläne kritisiert, sie befürchten eine Vorverlagerung der Versuchsstrafbarkeit.
Wer im Internet Kinder kontaktiert, um sie zu missbrauchen, macht sich auch schon nach geltender Gesetzeslage strafbar. Unter dem sog. Cybergrooming versteht man das gezielte Ansprechen von Personen im Internet zur Anbahnung sexueller Kontakte. Häufig nutzen Täter Plattformen wie Instagram, YouTube oder auch die Chats bei Online-Spielen um Kontakt zu Kindern aufzunehmen. Bereits 2016 wurde das Cybergrooming deshalb in den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern nach § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB aufgenommen. Vorgesehen ist dort eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
Strafrecht auf gefährlich schiefer Bahn?
Nach dem Entwurf des Bundesministeriums der Justiz (BMJV) soll das Cybergrooming aber auch schon dann strafbar sein, wenn am anderen Ende gar kein Kind chattet, sondern etwa ein verdeckter Ermittler oder die Eltern. Das soll über eine Ausweitung der Versuchsstrafbarkeit in § 176 Abs. 6 StGB erreicht werden. Nach dem derzeit geltenden § 176 Abs. 6 ist der Versuch des eigentlichen Kindesmissbrauchs mit Strafe bedroht, nicht aber der Versuch der im Gesetz genannten Vorbereitungshandlungen.
Der Strafverteidiger und Privatdozent Dr. Kay H. Schumann kritisierte in seinem Gastbeitrag auf LTO dass bereits der Versuch einer Vorbereitungshandlung strafbar sein soll. "Wir bewegen uns hier so weit vor dem Bereich der eigentlichen Tatausführung, dass bis auf die Absicht des Täters, später einen Kindesmissbrauch zu begehen, kaum noch etwas übrig bleibt."
Das Ziel einer effektiven Strafverfolgung von Kinderpornographie im Internet und jeder Form des Kindesmissbrauchs stellen die Kritiker des Entwurfs nicht in Frage, ihnen geht es um die Mittel auf dem Weg. Jede Ausweitung des Strafrechts hinein in das Vorfeld berge die Gefahr sich auch für andere Delikte auf eine "gefährlich schiefe Ebene" führen zu lassen, so Schumann. Das richtige Mittel seien vielmehr im Gefahrenabwehrrecht der Polizei zu suchen.
Schon der Versuch einer Vorbereitungshandlung soll strafbar werden
Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) kritisierte die Pläne in seiner Stellungnahme zum Referentenentwurf: "Mit anderen Worten soll bei solchen Konstellationen im Vorfeld des Vorfeldes eine Pönalisierung und Kriminalisierung erfolgen." Und weiter: "Insofern soll noch einmal sensibilisiert werden für das Systemfremde, das schon der Vorschrift des § 176 Abs. 4 Nr. 3 StGB innewohnt, indem eine Vorbereitungshandlung ausnahmsweise pönalisiert wird. Dieser Vorbereitungshandlung noch eine Versuchsstrafbarkeit hinzuzufügen, geht zu weit und überzeugt nicht."
Der stellvertretende Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, und Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) nutzten den Anlass und forderten derweil noch mehr Möglichkeiten für die Fahnder. "Wir müssen Ermittlern die Möglichkeit geben, sich mit computergenerierten Missbrauchsbildern Zutritt zu geschlossenen Kinderpornografie-Foren zu verschaffen", sagte Frei der Deutschen Presse-Agentur. Eisenreich erklärte, diese sogenannten Keuschheitsproben müssten in einem eng umgrenzten Umfang zugelassen werden.
Kabinett für StGB-Verschärfung gegen Kindesmissbrauch: . In: Legal Tribune Online, 26.06.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36115 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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