Der Untersuchungsausschuss, welcher die "Cum-Ex"-Geschäfte beleuchten sollte, hat seine Arbeit abgeschlossen. Die Bedeutung des Börsenskandals und der entstandene Schaden bleiben zwischen Regierung und Opposition umstritten.
"Cum-Ex"- ein Begriff, der die Bundespolitik weiter auf Trab hält. Die Aktiengeschäfte, mit denen Börsenanleger den Staat wohl um Milliarden brachten, sollten in einem Untersuchungsausschuss des Bundestages eingehend unter die Lupe genommen werden. Regierung und Opposition konnten sich dabei aber nur auf wenig einigen, wie sich am Dienstag zeigte. CDU und SPD zogen ihr Fazit, Grüne und Linke legten jeweils ein eigenes vor.
Darin kamen die Ausschussmitglieder zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen, sowohl darin was die Schadenshöhe und Bedeutung des Steuerskandals angeht als auch darüber, wie entschlossen die Aufklärung betrieben wurde. Die Regierungsparteien wehrten sich zudem gegen den Vorwurf, die von ihnen abwechselnd geführte Finanzverwaltung habe keine ausreichenden Gegenmaßnahmen ergriffen.
Hinter dem Begriff steht eine so oder so ähnlich wohl schon seit den achtziger Jahren durchgeführte Geschäftspraktik, bei der Anleger einander gezielt Aktien zuschieben, um so ihre Steuerpflicht zu umgehen.
Auf die Erträge aus einer Kapitalanlage müssen Aktionäre grundsätzlich Steuern zahlen. Banken und andere Finanzdienstleister haben die Möglichkeit, sich die Kapitalertragssteuer vom Staat zurückholen. Durch spezielle Geschäfte um den Dividendenstichtag herum - jenen Tag, an dem die Unternehmen die Gewinnausschüttung an ihre Aktionäre offenlegen - war es ihnen möglich, sich die Kapitalertragssteuer vom Staat erstatten zu lassen, auch wenn sie gar nicht gezahlt worden war.
Mehr als 30 Ermittlungsverfahren
Dabei werden Aktien mit ("Cum") und ohne ("Ex") Dividendenanspruch um den Stichtag herum zwischen Anlegern hin- und hergeschoben. Hintergrund ist die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der das wirtschaftliche Eigentum an Aktien schon mit dem Vertragsschluss auf den Erwerber übergeht. Dies ermöglichte es den Anlegern zu verschleiern, wer die Aktie von wem bezogen hatte, da ein und dieselbe Aktie am Dividendenstichtag zwei Eigentümern zugerechnet werden konnte. Eine nur einmal abgeführte Steuer wurde somit zweimal erstattet.
Bei diesen als Cum-Ex-Skandal bekannt gewordenen Vorgängen waren sowohl kleine als auch große Banken und öffentlich-rechtliche Landesbanken beteiligt. Einige der Institute mussten mit Staatsgeldern gerettet werden und befinden sich zum Teil noch in staatlicher Hand, darunter beispielsweise die Commerzbank. Die Maple Bank dagegen ist aufgrund dieser Praxis pleite gegangen. Manche Institute haben von sich aus Steuern nachgezahlt. Andere klagten gegen Rückzahlungsforderungen - wohl in der Hoffnung, dass sich die Geschäfte als legal herausstellten.
Inzwischen laufen mehr als 30 Ermittlungsverfahren, in denen, wie der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) angab, gegen rund 100 Banken ermittelt wird. Gerichtsurteile existieren auch bereits, doch höchstrichterlich ist die Legalität der Cum-Ex-Deals noch nicht geklärt, wenngleich ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eine gewisse Richtung vorgibt.
Darin verwarf das Gericht eine Verfassungsbeschwerde gegen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen im Zusammenhang mit Aktienkäufen als unbegründet (Az: 2 BvR 1163/13). Die Annahme eines hinreichenden Tatverdachts der besonders schweren mittäterschaftlichen Steuerhinterziehung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Opposition: Union und SPD unkooperativ
Aufgrund der Vorgänge entgingen dem Staat - das ist mittlerweile klar - Steuergelder in großer Höhe. Die genaue Summe und wie der Skandal zustande kam, sollte der Untersuchungsausschuss klären. Doch nach über einem Jahr Arbeit zeigte sich nun, dass über die Ergebnisse vor allem eines herrscht: Uneinigkeit.
"Union und SPD haben versucht, alles klein zu kochen und den Schaden so niedrig wie möglich zu halten", kritisierte Gerhard Schick, Finanzpolitiker der Grünen. "Das ist Verweigerung von gemeinsamer parlamentarischer Arbeit". Ein Interesse daran könnte den Regierungsparteien tatsächlich unterstellt werden, schließlich stellten sie zuletzt jeweils den Bundesfinanzminister.
Dabei beantworten alle Beteiligten die wichtigste Frage ziemlich eindeutig: Ja, die Cum-Ex-Geschäfte waren von Anfang an illegal. Eine Gesetzeslücke habe nicht bestanden, so der einhellige Tenor der Parteien. Von einer zu zögerlichen Aufklärung, wie die Opposition sie ihnen unterstellte, wollten die Regierungsparteien unterdessen nichts wissen. Nach Meinung von Linken-Politiker Richard Pitterle rede die Koalition das Versagen der von ihren Parteien geführten Finanzverwaltung schön. Die Behauptung, es seien keine Fehler gemacht worden, sei ein "fast schon bemitleidenswerter Versuch, die verantwortlichen Finanzminister Steinbrück und Schäuble aus der Schusslinie zu bringen".
Offen ist nach der Vernehmung von fünf Sachverständigen und rund 70 Zeugen, darunter renommierte Steuerrechtler, sowie mehr als 200 gefassten Beweisbeschlüssen auch die tatsächliche Schadenshöhe. Teils wird von zehn Milliarden Euro gesprochen. Andere nennen Summen von zwölf bis fast 32 Milliarden. Auf jeden Fall sehr viel Geld, doch es gibt reichlich Diskrepanz. Die SPD meint, bereits erfolgte und künftige Rückzahlungen sowie Strafgelder müssten in die Berechnung einfließen. "Niemand kann die Summe seriös berechnen", hieß es aus sozialdemokratischen Kreisen.
mam/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Untersuchungsausschuss schließt Arbeit ab: . In: Legal Tribune Online, 20.06.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23228 (abgerufen am: 22.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag