Der Streit ums Geld geht weiter: Cum-Ex-Straf­ver­fahren gegen Chris­tian Olea­rius ein­ge­s­tellt

24.06.2024

Das Cum-Ex-Strafverfahren gegen den früheren Chef der Hamburger Warburg-Bank wurde vom LG Bonn eingestellt. Über drei Jahre hätte der Prozess noch gedauert – unzumutbar für den 82-Jährigen. Doch die Staatsanwaltschaft geht in Revision.

Das Cum-Ex-Strafverfahren gegen den früheren Chef der Hamburger Privatbank M.M.Warburg, Christian Olearius wird eingestellt. Das verfügter das Bonner Landgericht (LG) am Montag (Urt. v. 24.06.2024, Az. 63 KLs 1/22). Grund dafür ist die angeschlagene Gesundheit des 82-Jährigen.

Ein Gutachten hatte zuvor festgestellt, dass der Gesundheitszustand des Angeklagten so schlecht sei, dass eine Sitzungen je Verhandlungstag nur 45 Minuten dauern darf. Nun hat die Kondition des 82-Jährigen die endgültige Einstellung des Verfahrens nach § 206a Strafprozessordnung (StPO) zur Folge. Danach kann ein Verfahren eingestellt werden, wenn ein Verfahrenshindernis vorliegt. Ein Verfahrenshindernis kann unter anderem die fehlende Verhandlungsfähigkeit des Angeklagten sein.

Das begründete die Vorsitzende Richterin laut WDR-Journalist Massimo Bognanni mit einer Rechnung: Es sei davon auszugehen, dass es bei der 45-Minuten-Restriktion bliebe. Dann wären 146 Wochen für die weitere Beweisaufnahme erforderlich, also über drei Jahre. Das hielt das Gericht für unzumutbar, berichtet Bognanni auf X.

Cum-Ex-Geschäfte als Steuerhinterziehung

Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung hatten das vorzeitige Ende des im September 2023 begonnenen Verfahrens beantragt. Mit dem Einstellungsurteil bleibt die Schuldfrage unbeantwortet. Olearius meldete sich trotzdem vor dem Urteil am Montag im Gericht zu Wort und beteuerte erneut seine Unschuld. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft seien hinfällig. "Ich bin unschuldig, ich habe weder wissentlich noch unwissentlich an strafbaren CumEx Geschäften mitgewirkt. Mir lag es fern, den Staat zu schädigen", zitiert Bognanni den Banker auf X.

Die Staatsanwaltschaft hatte Olearius 15 Fälle besonders schwerer Steuerhinterziehung durch Verstrickung in Cum-Ex-Geschäfte vorgeworfen, wobei ein Steuerschaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sein soll. In zwei Fällen soll es beim Versuch geblieben sein. Eine Revision gegen das Einstellungsurteil vom Montag ist möglich, dies gilt aber als unwahrscheinlich.

Mit Hilfe der Cum-Ex-Geschäfte bekamen Finanzakteure Steuern erstattet, die gar nicht gezahlt worden waren: Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch wurden um einen Ausschüttungsstichtag hin- und hergeschoben. So wurden Aktiengeschäfte vor dem Dividendenstichtag mit einem Anspruch auf die zu erwartende Dividende abgeschlossen, aber nach dem Stichtag vereinbarungsgemäß mit Aktien ohne Dividendenanspruch erfüllt. Unter den damals gegebenen technischen Möglichkeiten war dem Fiskus nicht mehr klar, wer überhaupt Eigentümer ist. Die Folge: Finanzämter erstatten Kapitalertragsteuern mehrfach, obwohl die Steuer nur einmal gezahlt worden war. 

Dem Staat entstand dadurch ein zweistelliger Milliardenschaden. Die Hochphase dieser Geschäfte war in den Jahren 2006 bis 2011. Im Jahr 2021 wertete der Bundesgerichtshof diese Geschäfte als Steuerhinterziehung.

Einziehungsverfahren bei Olearius noch möglich

Am LG Bonn hat es zu Cum-Ex seit 2020 acht Schuldsprüche gegeben, eine Vielzahl an Verfahren dürften in den kommenden Jahren noch folgen. Im nun eingestellten Verfahren musste sich zum ersten Mal die Spitze eines Finanzinstituts vor Gericht Cum-Ex-Vorwürfen stellen. Olearius war früher Chef der Warburg-Privatbank und später ihr Aufsichtsratsvorsitzender, inzwischen ist er nur noch Gesellschafter.

Staatsanwältin Stephanie Kerkering kündigte noch im Gerichtssaal an, dass man in Revision gehe. Später begründete sie den Schritt damit, dass man sich damit den Weg zur Überleitung eines Einziehungsverfahrens offenhalten wolle. In diesem Verfahren ginge es um die Frage, ob Olearius 43 Millionen Euro als Taterträge zahlen muss.

Die Staatsanwaltschaft hatte beantragt, ein sogenanntes Einziehungsverfahren überzuleiten und dadurch gewissermaßen vom Strafverfahren abzukoppeln. Das lehnte das Gericht in der vergangenen Woche aber ab und wies darauf hin, dass die Ankläger hierzu bislang nicht fertig ermittelt hätten. Dies könnte die Staatsanwaltschaft später noch tun und dann ein separates Einziehungsverfahren anstrengen. Hierbei ginge es ums Geld und nicht um die Schuldfrage. Olearius müsste nicht mehr vor Gericht erscheinen. Nach Auskunft seines Sprechers hat er im Jahr 2020 gemeinsam mit dem Co-Gesellschafter Max Warburg wegen Cum-Ex bereits 230 Millionen Euro an den Staat gezahlt.

Die Erinnerungslücken des Kanzlers

Olearius ist einer der bekanntesten Cum-Ex-Akteure. Sein Vorgehen schlug auch in der Politik hohe Wellen. Denn aus Tagebucheinträgen von ihm ging hervor, dass er sich 2016 und 2017 insgesamt dreimal mit dem späteren Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) getroffen hatte, als dieser noch Erster Bürgermeister von Hamburg gewesen war.

Der genaue Inhalt der Treffen ist unklar. Fakt ist aber, dass die Finanzbehörde danach eine Steuerforderung fallen ließ und die Ansprüche nach damaliger Rechtslage verjährten. Dass ein kausaler Zusammenhang bestand zwischen den Scholz-Olearius-Treffen und der Behördenentscheidung, ist nicht erwiesen. Scholz schließt eine Einflussnahme aus, beruft sich bei der Frage nach dem genauen Inhalt der Gespräche aber auf Erinnerungslücken.

dpa/mka/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Der Streit ums Geld geht weiter: . In: Legal Tribune Online, 24.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54841 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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