Seit 2017 sitzt Canan Bayram im Deutschen Bundestag, sie holte zweimal ein Direktmandat für Bündnis 90/Die Grünen. Jetzt will die Juristin und Rechtspolitikerin nicht mehr und rechnet mit ihrer Partei ab.
Bei den Grünen rumort es seit Wochen gewaltig. Nach dem angekündigten Rückzug der Parteispitze und dem Austritt des Bundesvorstandes der Grünen Jugend wirft nun auch mit der Bundestagsabgeordneten Canan Bayram eine langjährige grüne Stimme für Menschen- und Bürgerrechte das Handtuch.
Die Juristin gab am Dienstag in einer persönlichen Erklärung bekannt, dass sie zur nächsten Bundestagswahl nicht mehr antritt, auch weil sie sich offenbar mit ihrer Partei nicht mehr identifizieren kann: "Ich habe mich dagegen entschieden, unter anderem weil mir immer weniger klar ist, wofür die Partei Bündnis 90/Die Grünen eigentlich steht. Insoweit kann ich den Menschen nicht mehr erklären, wofür wir stehen bzw. ob sie uns vertrauen können", so die Juristin.
Bundesweit bekannt geworden war die in der Türkei geborene Bayram auch deshalb, weil sie als Direktkandidatin im Berliner Bezirk Friedrichshain/Kreuzberg auf die 2022 verstorbene Grünen-Ikone und ehemaligen RAF-Anwalt Hans-Christian Ströbele folgte. Wie Ströbele, der es insgesamt viermal schaffte, holte Bayram im eher links geprägten Wahlkreis für Bündnis 90/Die Grünen zweimal das Direktmandat und sitzt daher seit 2017 im Bundestag.
In ihrer persönlichen Erklärung vom Dienstag ging die Bundestagsabgeordnete nun mit ihrer Fraktion bzw. deren Kurs hart ins Gericht: "Da ich selbst auch immer weniger Zustimmung zu meiner Argumentation bzw. Perspektive auf die Fragen erhalte, laufe ich immer mehr Gefahr, lediglich ein Feigenblatt für meine Fraktion zu werden, die weniger Menschenrechte als populistische Diskurse in den Fokus ihrer Arbeit nimmt. Das kann und will ich nicht mittragen", so Bayram.
DAV: "Für die Anwaltschaft immer ein offenes Ohr"
Trotz der Entfremdung Bayrams von ihrer Partei will die 58-Jährige dem Vernehmen nach Parteimitglied bleiben. Sie habe sich jedoch entschieden, ihre politische Arbeit außerhalb des Parlaments zu verlagern, teilte sie mit.
In dieser Wahlperiode koordinierte Bayram als "Obfrau" die Arbeit der Bundestagsfraktion im Rechtsausschuss. Die zugelassene Rechtsanwältin äußerte sich immer wieder im Zusammenhang mit rechtspolitischen Themen. In der Fraktion zählte sie zum linken Flügel.
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) zollte Bayram am Dienstag Dank und Anerkennung für ihre Tätigkeit im Bundestag: "Der DAV hat sehr gut mit Canan Bayram zusammengearbeitet. Hervorzuheben ist ihr Engagement für die Bürger- und Freiheitsrechte. In ihrem Gebiet des Strafrechts hat sie auch immer die Rechte der Beschuldigten im Blick und für die Anwaltschaft ein offenes Ohr. Dafür ist ihr sehr zu danken", sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer und Leiter der politischen Kommunikation im DAV, Swen Walentowski, gegenüber LTO.
"Grüne Rechtspolitik maßgeblich mitgeprägt"
Aus der eigenen Fraktion erntete Bayram von ihrem Ausschusskollegen, dem rechtspolitischen Sprecher Helge Limburg, ebenfalls Lob: Sie habe als Obfrau und Sprecherin für Strafrechtspolitik die Grüne Rechtspolitik der vergangenen Jahre maßgeblich mitgeprägt.
"Ihr Eintreten für eine rationale, ausgewogene und nicht an populistischen Diskursen orientierte Strafrechtspolitik war und ist von großer Bedeutung", so Limburg. Er wünsche Bayram nur das Beste und hoffe, dass sie auch nach ihrer Zeit im Bundestag als kritische grüne Stimme hörbar bleiben werde, so Limburg zu LTO. Zur Kritik seiner Kollegin am poltischen Kurs der Grünen äußerte sich Limburg nicht.
Grüne Rechtspolitikerin Canan Bayram schmeißt hin: . In: Legal Tribune Online, 08.10.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55585 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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