BVerwG zur Beitragsbemessung: Wechsel der Steuerklasse kann rechtsmissbräuchlich sein

12.10.2012

Nach einer Entscheidung des BVerwG vom Donnerstag kann die Ausübung des so genannten Steuerklassenwahlrechts im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich sein.

In dem Fall ging es um die Höhe eines Kostenbeitrages für die Unterbringung eines behinderten Kindes in einer Jugendhilfeeinrichtung. Der Beitrag, den die Eltern des Kindes zu zahlen haben, richtet sich gemäß § 93 SGB VIII nach dem durchschnittlichen Einkommen der Eltern in den vergangenen zwölf Monaten.

Der Vater eines behinderten Jungen beantragte beim Jugendamt, den Beitrag zu reduzieren, da sein Nettoeinkommen gesunken sei. Tatsächlich hatte sich das Bruttoeinkommen des Mannes sogar leicht erhöht. Aufgrund des Wechsels der Steuerklasse hatte sich aber der vorläufige Steuerabzug erhöht und damit sein Nettoeinkommen verringert. Das Jugendamt lehnte den Antrag ab, weil der Steuerklassenwechsel nur zu dem Zweck erfolgt, sei den Kostenbeitrag zu mindern. Zu Recht, hatte noch das Verwaltungsgericht Köln entschieden.

Keine schutzwürdigen Gründe für Wechsel

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Münster gab hingegen dem Vater Recht, da sich die Beitragsbemessung allein auf Grundlage des monatlichen Durchschnittseinkommens errechne. Außerdem sei der hier vorgenommene Steuerklassenwechsel jederzeit ohne Angabe von Gründen möglich und mangels grob unbilligem Ergebnis auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Dies sahen die Richter des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) nun anders: Die Ausübung des dem Bürger generell zustehenden Steuerklassenwahlrechts könne im Einzelfall nach dem Grundsatz von Treu und Glauben rechtsmissbräuchlich sein, wenn für den Wechsel keine schutzwürdigen Gründe vorliegen und deshalb anzunehmen sei, dass der Steuerklassenwechsel vorwiegend zur Schmälerung des dem Jugendhilfeträger zustehenden Kostenbeitrags erfolgt sei. In diesem Fall sei die Verringerung des Nettoeinkommens bei der Bemessung des Kostenbeitrags zu vernachlässigen. Ob die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtsmissbrauchs hier vorliegen, wird das OVG bei einer erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Sache zu prüfen haben (Urt. v. 11.10.2012, Az. 5 C 22.11).

mbr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerwG zur Beitragsbemessung: . In: Legal Tribune Online, 12.10.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/7299 (abgerufen am: 05.11.2024 )

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