Das Eisenbahn-Bundesamt forderte die Deutsche Bahn auf, Fahrgäste auch an kleinen Bahnhöfen über Verspätungen ausreichend zu informieren. Die Bahn klagte - und scheiterte am Mittwoch vor dem BVerwG.
Die Deutsche Bahn (DB) muss all ihre Bahnhöfe und Haltepunkte mit Einrichtungen zur Information über Verspätungen ausstatten, entschied das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) am Mittwoch (Urt. v. 09.09.2015, Az. 6 C 28.14). Damit gab das Gericht dem Eisenbahn-Bundesamt Recht, das von der DB ausreichende Informationen über Verspätungen auch an kleinen Bahnhöfen und Haltestellen forderte.
Die klagende DB Station & Service betreibt etwa 5.500 Bahnhöfe und Haltepunkte in Deutschland. Das beklagte Eisenbahn-Bundesamt stellte im Jahr 2010 fest, dass nicht alle davon mit Einrichtungen versehen waren, durch welche Fahrgäste über Verspätungen oder Ausfälle von Zügen informiert werden können. Nach DB-Angaben sind es noch rund 100 Haltestellen, an denen Fahrgäste nicht über Zugverspätungen und -ausfälle unterrichtet werden.
Das Bundesamt als Aufsichtsbehörde verpflichtete die DB auf Basis der sog. Fahrgastrechte-Verordnung (EG Nr. 1371/2007) daraufhin, alle Haltepunkte mit dynamischen Schriftanzeigern auszustatten, und zwar zeitlich gestaffelt nach der Größe der Stationen gemessen an der Zahl der Reisenden. Die Verpflichtung gilt nicht, wenn die DB durch andere, gleich geeignete technische Mittel ausreichend über zeitliche Abweichungen im Zugverkehr informieren kann, zum Beispiel durch andere Technik wie Lautsprecheranlagen oder aber Personal vor Ort.
Gegen diese Verpflichtung prozessierte die DB bis in die letzte Instanz. Wie das Verwaltungsgericht (VG) Köln (Urt. v. 18.01.2013, Az. 18 K 4907/11) und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster (Urt. v. 16.05.2014, Az. 16 A 494/13) wies auch das BVerwG die Klage der DB ab.
Wirtschaftlichkeit gegen "aktive Informationspflicht"
Die Bahn argumentierte, dass die technisch nicht ausreichend ausgestatteten Haltestellen häufig diejenigen seien, an denen am Tag nur sehr wenige Fahrgäste aus- und zusteigen, die keinen Stromanschluss haben oder wo es keinen Mobilfunkempfang gebe. So koste es rund 50.000 Euro, einen Haltepunkt ohne Stromanschluss mit dynamischen Schriftanzeigern zu erschließen. Das sei schlichtweg zu teuer, es müsse daher eine Bagatellgrenze geben. Die DB wolle das Informationsniveau nicht verschlechtern, doch müsse sich alles im wirtschaftlichen Rahmen bewegen.
Dieser Argumentation folgte das BVerwG nicht. Vielmehr ergebe sich aus der Fahrgastrechte-Verordnung eine "aktive Informationspflicht". Nach der muss die Bahn ihre Fahrgäste unaufgefordert und ungefragt über Verspätungen und Ausfälle informieren, sobald ihr die Informationen vorliegen. Diese Pflicht bestehe nicht nur dort, wo auch die technischen Möglichkeiten es erlauben, ihr nachzukommen. Es reiche deshalb nicht, an einem nicht erschlossenen Haltepunkt auf eine Telefonnummer zu verweisen, unter der die Fahrgäste solche Informationen auf Nachfrage erhalten können.
Von der EU-Verordnung kann ein Mitgliedstaat zwar eine zeitlich begrenzte Ausnahme gewähren. Der deutsche Gesetzgeber habe davon aber keinen Gebrauch gemacht und auch keine Ausnahme für wirtschaftlich ungünstige Standorte vorgesehen, so die Leipziger Richter. Abgesehen davon habe die DB in der Vorinstanz auch nicht substantiiert darlegen können, dass die Ausstattung der zum damaligen Stand der Dinge noch rund 300 zu erschließenden Haltepunkte mit einem unzumutbaren Aufwand verbunden und die Verpflichtung deshalb unverhältnismäßig gewesen wäre.
ms/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Auch an kleinen Bahnhöfen: . In: Legal Tribune Online, 09.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16853 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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