BVerwG zum Dublin-II-Verfahren: Flücht­linge können sich nicht auf Fri­st­ablauf berufen

27.10.2015

Ein Asylbewerber kann sich gegen seine Überstellung in einen anderen EU-Mitgliedstaat, in dem er auch Asyl beantragt hat, nicht mit dem Argument wehren, dass die in der Dublin II-Verordnung geregelte Drei-Monats-Frist abgelaufen sei.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat am Dienstag entschieden, dass sich Asylbewerber nicht auf die in der Dublin-II-Verordnung geregelte Frist für ein Aufnahmegesuch eines EU-Mitgliedstaates berufen können. Die dreimonatige Frist gelte nur für den Rechtsverkehr zwischen den beteiligten Ländern und sei nicht individualschützend, entschieden die Richter in Leipzig (Urt. v. 27.10.2015, Az. 1 C 32-34.14).

Das Dublin-Verfahren ermöglicht es den Mitgliedstaaten, untereinander Aufnahmegesuche für Asylbewerber zu stellen. Voraussetzung ist, dass der betroffene Bewerber bereits einen Asylantrag in dem anderen Mitgliedstaat gestellt hat. Dann kann er nach einem Aufnahmegesuch nach Art. 17 Abs. 1 der Dublin-II-Verordnung dorthin abgeschoben werden. Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreitet, ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

In dem am Dienstag entschiedenen Fall war diese Zeit schon abgelaufen. Die aus Pakistan stammende Familie, eine Mutter und drei Kinder, hatte in Deutschland Asylanträge gestellt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge benötigte für die Bearbeitung der Anträge allerdings ein Jahr und lehnte sie schließlich ab. Mit den Ablehnungsbescheiden ordnete das Amt die Abschiebung nach Spanien an, weil die Familie auch dort bereits Asylanträge gestellt hatte. Die spanischen Behörden stimmten der Wiederaufnahme zu, obwohl die Dreimonatsfrist längst abgelaufen war.

Auf die Klagen der Familienmitglieder hin hob das Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden die Abschiebungsbescheide auf. Die deutschen Behörden hätten die spanischen Kollegen innerhalb von drei Monaten ersuchen müssen, befanden sie. In zweiter Instanz hob der Hessische Verwaltungsgerichtshof (VGH) diese Entscheidung allerdings wieder auf.

Auch die Leipziger Richter urteilten nun, dass sich die Familienmitglieder nicht auf eine Versäumung der Frist berufen könnten, da sie nur der organisatorischen Abwicklung des Dublin-Verfahrens diene. Den einzelnen Asylbewerber aber schütze sie nicht. Der könne sich, jedenfalls wenn der andere Mitgliedstaat der Aufnahme zugestimmt hat, nur auf systemische Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen für Asylantragsteller im ersuchten Staat berufen. Das hatte die pakistanische Familie nicht getan. 

una/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerwG zum Dublin-II-Verfahren: . In: Legal Tribune Online, 27.10.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17347 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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