Bayerischer Kreuzerlass: Geis­tes­f­rei­heit gegen Frei­staat

14.12.2023

Der Bund für Geistesfreiheit klagt gegen die Pflicht, in jeder bayerischen Behörde ein Kreuz aufzuhängen. In der Revision verhandelte jetzt das Bundesverwaltungsgericht. Christian Rath war dabei.

Das könnte spannend werden. Das Bundesverwaltungsgericht braucht jedenfalls mehr Zeit für die Beratung als ursprünglich vorgesehen. Eigentlich sollte an diesem Donnerstag nicht nur verhandelt, sondern auch gleich verkündet werden. Doch nun wird das Urteil erst am kommenden Dienstag gesprochen. 

In der Verhandlung hatten sich alle fünf Richter:innen des zehnten Revisionssenats mit Fragen beteiligt und dabei unterschiedliche Tendenzen erkennen lassen. Das Ergebnis schien noch nicht festzustehen. 

Der Kreuzerlass

Im April 2018 beschloss die bayerische Landesregierung auf Initiative des neuen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) den sogenannten Kreuzerlass: "Im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes ist als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns gut sichtbar ein Kreuz anzubringen." Die Regelung findet sich in § 28 der Allgemeinen Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern (AGO), einer Verwaltungsvorschrift.

Verbindlich ist die Regelung nur für echte Landesbehörden. Doch die AGO enthält in § 36 eine (allgemeine) Empfehlung, dass sich auch Gemeinden, Landkreise und andere juristische Personen des öffentlichen Rechts an diese Geschäftsordnung halten mögen.

Geistesfreie Kläger:innen

Gegen Söders Manöver, das kurz vor den damaligen Landtagswahl recht offensichtlich konservative Wähler:innen mobilisieren sollte, gab es viel Widerspruch. Geklagt hat dann der Bund für Geistesfreiheit (BfG), eine religionskritische Weltanschauungs-Gemeinschaft, sowie 25 Einzelpersonen. 

Beim Verwaltungsgerichtshof ( VGH) München erzielten die Kläger:innen nur einen Teilerfolg. Einerseits stellte der VGH fest: "Die Anbringung von gut sichtbaren Kreuzen im Eingangsbereich eines jeden Dienstgebäudes verstößt gegen die Pflicht zur weltanschaulich-religiösen Neutralität", so das Urteil. Das Kreuz sei "Symbol einer religiösen Überzeugung" und nicht nur Ausdruck der vom Christentum mitgeprägten abendländischen Kultur.

Andererseits verletzten die amtlichen Kreuze keine Grundrechte, so der VGH. Das Kreuz im Eingangsbereich einer Behörde sei nur ein "passives Symbol ohne missionierende Wirkung". Der Eingangsbereich einer Behörde werde meist schnell durchschritten, Behördenbesucher seien mit dem Kreuz "nur flüchtig konfrontiert und können Abstand halten". 

Die Klagen der 25 Einzelklägerinnen wurden bereits als unzulässig abgelehnt, weil sich die Regelung in der Geschäftsordnung nur an Behörden richte und keine Außenwirkung habe. Auch die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde der Einzelkäger wurde vom Bundesverwaltungsgericht wegen mangelnder grundsätzlicher Bedeutung abgelehnt (Beschluss vom 9.06.2023, Az.: 10 B 13.22). 

Dagegen galten die Klagen des BfG beim Verwaltungsgerichthof als zulässig und scheiterten erst bei der Begründetheit. Der VGH ließ hier auch die Revision zu. An der Verhandlung an diesem Donnerstag war also nur der Bund für Geistesfreiheit (Bayern und München) beteiligt.

Feststellungen werden übernommen

Der BVerwG-Senat unter Susanne Rublack deutete an, dass er sich als Revisionsgericht an zwei zentrale "Feststellungen" des VGH München gebunden fühlt. Zum einen habe der VGH festgestellt, dass das Kreuz das zentrale Symbol des Christentums sei und auch in Behörden diesen Charakter nicht verliere. Was wie eine Selbstverständlichkeit klingt, hat hier Bedeutung, da die Landesregierung das Kreuz ja gerade als "Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns" zu verkaufen versucht. 

Zugleich will das BVerwG auch die Feststellung übernehmen, dass die Behördenbesucher das Kreuz im Eingangsbereich nur flüchtig wahrnehmen und die Konfrontation damit deutlich geringer ist als in einem Schulraum oder einem Gerichtsaal.

Wird der BfD diskriminiert?

Im Mittelpunkt der Verhandlung stand vielmehr die Frage, ob der Bund für Geistesfreiheit in eigenen Grundrechten verletzt ist. Hubert Heinhold, der BfG-Anwalt, machte eine Diskriminierung der Weltanschauungsgemeinschaft gegenüber den christlichen Kirchen geltend. Die bayerische Regierung mache unverhohlen Werbung für die christliche Religion und diskriminiere damit alle anderen Religionen und Weltanschauungen, so Heinhold, der auch die negative Religionsfreiheit des BfG verletzt sah. 

"Stellen Sie sich vor, das Land schreibt vor, dass im Eingangsbereich jeder Behörde ein BMW-Signet anzubringen ist - angeblich als Symbol des technologischen Fortschritts. Da wären doch alle anderen Auto-Hersteller diskriminiert", argumentierte Anwalt Heinhold.

Ein Richter wies zwar darauf hin, dass die christlichen Kirchen über die Instrumentalisierung ihrer Kirchen gar nicht erfreut gewesen seien. Heinholt sah darin aber keinen Widerspruch. "Natürlich wollen sie ihr Symbol reinhalten und nicht verwässern."

Subjektivierung des Neutralitätsgebots?

Spannend war die Frage des Gerichts, ob das Neutralitätsgebot auch subjektive Rechte vermittelt - ob etwa Gruppen wie der BfG eine Art Wächterrolle einnehmen konnten. Die herrschende Meinung der Rechtswissenschaft und Rechtsprechung lehnt dies wie der VGH München ab. Das BVerwG zeigte sich zumindest diskussionsbereit. 

Der Vertreter Bayerns griff dann aber sogar den VGH an. Dieser habe das Neutalitätsgebot viel zu weit ausgelegt. Auch wenn man keine Möglichkeit hatte, selbst in Revision zu gehen, wolle man als Land nicht den Vorwurf akzeptieren, man habe Verfassungsgrundsätze verletzt. "Der Neutralitätsgrundsatz kann nicht weitergehen als die Grundrechte. Wenn keine Grundrechte verletzt sind, ist auch der Neutralitätsgrundsatz nicht verletzt", so die Logik der Staatsregierung. 

Kompromiss gescheitert

Einer der Richter schlug vor, unter jedes Kruzifix ein Schild mit der Aufschrift anzubringen: "Geschichte und Kultur Bayerns wurden über Jahrhunderte vom Christentum geprägt, daran erinnert dieses Kreuz." Als der BfG eine Zustimmung in Aussicht stellte, schlug Richterin Rublack eine fünfzehnminütige Verhandlungspause vor. Allerdings lehnten die Vertreter des Landes sofort ab. Für derartige Kompromisse habe man kein Mandat, "dafür wäre ein Beschluss des Ministerrates erforderlich". 

Nun wird am kommenden Dienstag um 13.30 Uhr das Urteil verkündet. 
 

Zitiervorschlag

Bayerischer Kreuzerlass: . In: Legal Tribune Online, 14.12.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/53422 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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