Die Leipziger Richter haben am Dienstag entschieden, dass der Aufenthaltstitel eines Ausländers durch seine Auslieferung an ein Drittland auch bei einer längeren Abwesenheit nicht erlischt.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden, dass die Auslieferung keine Ausreise im Sinne § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) ist, weil es sich um eine staatlich veranlasste Maßnahme handelt.
Zweck der genannten Erlöschenstatbestände sei es, die Aufenthaltstitel in den Fällen zum Erlöschen zu bringen, in denen der Ausländer durch sein Verhalten zum Ausdruck bringe, dass er von seinem Aufenthaltsrecht keinen Gebrauch mehr machen wolle. Im Interesse einer effektiven Steuerung der Migration solle einer zeitlich unbegrenzten Möglichkeit der Wiedereinreise entgegengewirkt werden (Urt. v. 17.01.2012, Az. 1 C 1.11).
Der Entscheidung lag der Fall eines kosovarischen Staatsangehörigen zugrunde, der 1996 eine Deutsche heiratete. 2002 erhielt er eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (jetzt: Niederlassungserlaubnis). 2005 wurde er aufgrund eines Europäischen Haftbefehls wegen Mordverdachts an die Niederlande ausgeliefert und dort in Untersuchungshaft genommen. Nachdem er 2008 freigesprochen und aus der Haft entlassen worden war, verweigerte die beklagte Ausländerbehörde dem zwischenzeitlich geschiedenen Kläger die Rückkehr nach Deutschland, da sein Aufenthaltstitel erloschen sei. Daraufhin kehrte er in den Kosovo zurück, wo er sich seither aufhält.
Verlassen des Bundesgebietes von Staat veranlasst
2009 erhob der Mann Klage auf Feststellung, dass seine Niederlassungserlaubnis nicht erloschen sei. Sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Verwaltungsgerichtshof (VGH) haben der Klage stattgegeben. Der VGH hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass die maßgeblichen Erlöschenstatbestände des § 51 Abs. 1 Nr. 6 und 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) schon deshalb nicht vorlägen, weil es an einer freiwilligen Ausreise fehle.
Der 1. Revisionssenat des BVerwG hat das Berufungsurteil im Ergebnis nun bestätigt. Verlasse der Betroffene die Bundesrepublik aufgrund staatlicher Zwangsmaßnahmen wie hier die Auslieferung an die Niederlande, sei ein Rückschluss nicht gerechtfertig, dass er am Fortbestand des Aufenthaltstitels kein Interesse habe. Der Staat selbst habe veranlasst, dass der Ausländer das Bundesgebiet verlassen musste. Sollte es in einem solchen Fall Gründe geben, das Aufenthaltsrecht des Ausländers zu beenden, könne die Behörde auf andere Weise, etwa mittels einer Ausweisungsverfügung, vorgehen.
tko/LTO-Redaktion
Mehr auf LTO.de:
VGH Hessen: "Hassprediger" klagt erfolgreich gegen Ausweisung
VG Stuttgart: Anspruch auf Einbürgerung auch ohne Deutschkenntnisse
BVerwG: . In: Legal Tribune Online, 17.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5327 (abgerufen am: 20.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag