Der Verein Reporter ohne Grenzen befürchtet, dass der BND seine Kommunikation mittels Quellen-TKÜ überwachen wird. Eine vorbeugende Klage dagegen hielt das BVerwG für unzulässig. Eine Überwachung zeichne sich nicht hinreichend konkret ab.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat eine vorbeugende Klage des Vereins Reporter ohne Grenzen (RSF) auf Unterlassung der Überwachung seiner Kommunikation im Wege der Quellen-TKÜ (sogenannter Staatstrojaner) durch den Bundesnachrichtendienst (BND) abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, entschied das Gericht am Mittwoch (Urt. v. 25.02.2023, Az. 6 A 1.22).
Hintergrund ist die Regelung in § 11 Abs. 1a des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G10), die die Befugnis für Nachrichtendienste enthält, in Endgeräte wie Computer oder Smartphones einzugreifen, um deren laufende und ruhende Kommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen. Die Reporter ohne Grenzen hatten argumentiert, in Kontakt mit ausländischen Journalisten zu stehen, die zu Themen recherchieren, mit denen auch der BND befasst sei. In Einzelfällen stehe der Verein auch direkt in Kontakt zu Personen, die sich im Umfeld von extremistischen Vereinigungen und Organisationen im In- und Ausland bewegten, welche ebenfalls im Fokus des BND stünden.
Der Verein befürchtet deshalb, dass seine Kommunikation unmittelbar durch die Quellen-TKÜ auf seinen vereinseigenen Geräten überwacht werden könnte. Jedenfalls bestehe die Gefahr, dass seine Kommunikationspartner mithilfe der Quellen-TKÜ überwacht werden und im Zuge dessen mittelbar seine Kommunikation erfasst werden könnte.
Der Verein hatte im Oktober 2021 mit Unterstützung des Berliner Rechtsanwalts Niko Härting vor dem BVerwG zunächst einen Eilantrag eingereicht, den das Gericht im November 2021 abgelehnt hatte. Am Mittwoch fand nun der erste und einzige Termin im Hauptverfahren statt.
RSF kündigt Verfassungsbeschwerde an
Die Klage des Vereins hatte dabei keinen Erfolg. Laut Gericht sei die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes bereits nach § 13 G10 ausgeschlossen. Darüber hinaus sei die Klage auch unstatthaft. Voraussetzung sei, dass das Gericht das drohende Verwaltungshandeln einer Rechtmäßigkeitsprüfung unterziehen könne. Hierzu müsse sich die befürchtete Überwachung der Kommunikation des Vereins mit Dritten über Messenger-Dienste etc. mittels der Quellen-TKÜ hinreichend konkret in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abzeichnen. Dies sei jedoch nicht der Fall, so das BVerwG.
Die Durchführung der Quellen-TKÜ auf vereinseigenen Geräten sei nicht hinreichend konkret. Der Verein hatte selbst nicht vorgetragen, dass Mitarbeiter im Verdacht stehen könnten, Straftaten im Sinne von § 3 Abs. 1 G10 zu begehen. "Ebenso wenig zeichnet sich hinreichend konkret ab, unter welchen tatsächlichen Voraussetzungen die ausländischen Kommunikationspartner des Klägers derartigen Maßnahmen wegen des Verdachts der Begehung solcher Straftaten mit Inlandsbezug ausgesetzt sein könnten", hieß es.
Schließlich sei die Klage auch deshalb unzulässig, weil sich der Verein nicht vor Klageerhebung an den BND gewandt habe. Damit hätten die Reporter ohne Grenzen dem BND die Möglichkeit genommen, das Unterlassungsbegehren vorprozessual zu prüfen.
"Bei Reporter ohne Grenzen kommunizieren wir regemäßig mit ausländischen Journalistinnen, Journalisten und Regierungsstellen. Deshalb sehen wir durchaus die Gefahr, dass der BND uns mittels Staatstrojaner ausspäht. Beweisen können wir das nur leider nicht, denn der BND informiert uns darüber natürlich nicht", sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr. "Zumindest hat uns der Gerichtstermin die Gewissheit gebracht, dass der BND den Staatstrojaner tatsächlich nutzt und wir somit potenziell gefährdet sind – ebenso wie Medienschaffende, die mit Zielpersonen des BND in Kontakt stehen. Das verletzt den journalistischen Quellenschutz und ist eine echte Gefahr für die Kolleginnen und Kollegen. Unser Ziel ist deshalb nach wie vor ein Verbot des Einsatzes von Staatstrojanern durch den BND gegen unverdächtige Nebenbetroffene."
Der Verein kündigte bereits an, gegen die Entscheidung Verfassungsbeschwerde einzulegen und erforderlichenfalls vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. Rechtsanwalt Härting erkärte: "Während wir in Sachen Schrems derzeit erneut darüber diskutieren, ob es ausreichende Zusagen der US-Regierung zum gerichtlichen Rechtsschutz europäischer Bürger gegen den Datenzugriff amerikanischer Dienste gibt, bleibt der Rechtsschutz gegen die eigenen Dienste in Deutschland lückenhaft. Wenn wir jedoch von den Amerikanern eine gerichtliche Kontrolle der Dienste fordern, kann es nicht richtig sein, bei den eigenen Diensten kontrollfreie Räume in weitem Umfang zuzulassen."
acr/LTO-Redaktion
BVerwG zu möglichem Einsatz von Staatstrojaner gegen Journalisten: . In: Legal Tribune Online, 26.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50890 (abgerufen am: 01.11.2024 )
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