Prozessauftakt im NPD-Verbotsverfahren: Befan­gen­heit­s­an­träge und Ver­schwör­ungs­the­o­rien

von Pia Lorenz

01.03.2016

2/2: Parteiverbotsverfahren als "Todesstrafe für eine Partei"?

Bezug nehmend auf die eindringlichen Worte von Senatsmitglied Müller zur Bedeutung von Parteien in der Demokratie und dem absoluten Ausnahmecharakter eines Verbots betonte auch der Vertreter des Bundesrats, dass Verbote von Parteien der Demokratie fremd seien. Das Grundgesetz ermögliche viele politische Ansätze. "Minimalbedingung aber sind die Achtung vor der Demokratie und vor der Menschenwürde," so Prof. Dr. Christoph Möllers von der HU Berlin. Die NPD aber erfülle nicht einmal diese Minimalanforderungen. Die Partei habe sich noch nie zur Verfassung bekannt, und bislang keinen einzigen der vorgelegten Belege für ihre Verfassungsfeindlichkeit entkräftet.   

Richter widersprach: Die Partei bekenne sich sehr wohl zur Freheitlichen Demokratischen Grundordnung. Das werde die Beweisaufnahme ergeben. Gegenbeweise habe Bundesratsvertreter Möllers nicht vorgelegt - das müsse er aber in dem Verbotsverfahren. Richter vertrat die Auffassung, die Strafprozessordnung (StPO) müsse uneingeschränkt Anwendung finden - schon weil "es die Todesstrafe für eine politische Partei aufgrund ihres vergangenen Tuns" herbeiführen solle. Dementsprechend müssten alle Belege öffentlich verlesen werden.

Nicht nur Präsident Voßkuhle, der schon in seinen einleitenden Worten darauf hingewiesen hatte, dass man nicht im Strafverfahren sei, sah das anders. Auch der weitere Vertreter des Bundesrats, Prof. Dr. Christian Waldhoff von der HU Berlin, widersprach. Er hält nicht alle Regelungen der StPO für übertragbar, da das Verfahren sich nicht gegen einen Einzelnen, sondern gegen eine Partei richte. Er verwies auch auf den Schutz von Personen, welcher die Veröffentlichung bestimmter Schriftstücke ausschließe. 

NPD: Verschwörungstheorien statt Sachvortrag

Auf eine Sachdiskussion zu den Voraussetzungen eines Parteiverbots wollten die Vertreter der NPD sich scheinbar gar nicht erst einlassen. Richter und Andrejewski haben in der Sache noch nichts vorgetragen. Offenbar spielen die beiden Anwälte auf Zeit. Richter verwies am Morgen darauf, dass keine Verteidigungsstrategie möglich sei, solange die Vertraulichkeit seiner Kommunikation mit den Vorständen der Partei nicht gesichert sei. 

Das bezweifelt er schon länger - und verweist nach Angaben von Tagesschau.de zur Begründung darauf, dass im Jahr 2012, also noch vor Beginn des NPD-Verbotsverfahrens, das Auto seiner Mutter in einen Unfall mit einem von Pkw des Verfassungsschutzes verwickelt worden sei. Der zuständige saarländische Verfassungsschutz hatte danach erklärt, dass der Fahrer und ein anderer Verfassungsschützer in anderer Sache unterwegs waren und sich um die Überwachung von Salafisten gekümmert hätten; der Zusammenstoß sei ein Zufall gewesen. NPD-Anwalt Richter versuchte aber, das Gericht davon zu überzeugen, dass er aus Angst vor Überwachung in seinem Kommunikationsverhalten mit der der NPD-Führung beeinträchtigt worden sei.

Auch im Übrigen trug Richter Argumente vor, die mit der Verfassungstreue der NPD nicht direkt etwas zu tun haben: Ausgerechnet jetzt solle das Sprachrohr derer, die mit den derzeitigen Zuständen nicht einverstanden sind, wegverboten werden. Der Kern des Verfahrens sei der "Schutz der herrschenden Verhältnisse", die herrschenden Parteien missbrauchten das Parteiverbotsverfahren und der Rechtsstaat solle ein Ideologiestaat werden. In der Flüchtlingsproblematik werde geltendes Recht gebrochen, die Kanzlerin ermächtige sich selbst und gebe den Befehl zum Rechtsbruch. "Das ist die Lage", so Richter. "Und die, die darauf hinweisen, werden jetzt verboten. Volk soll ausgetauscht werden, bevor die herrschenden ausgetauscht werden können."

Mit Materialien von dpa

Zitiervorschlag

Pia Lorenz, Prozessauftakt im NPD-Verbotsverfahren: . In: Legal Tribune Online, 01.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18640 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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