BVerfG: Verfassungsbeschwerde gegen die Anrechnung von Bafög-Leistungen auf Hartz IV-Leistungen erfolglos

von kgr/LTO-Redaktion

22.07.2010

Bei Erhalt von Arbeitslosengeld II und gewährten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz sind anfallende Studiengebühren beim Besuch einer privaten Berufsfachschule nicht als Mehraufwand im Rahmen bedarfsmindernder Leistungen absetzbar.

Die Beschwerdeführerin absolvierte eine dreijährige Ausbildung in einer privaten Berufsfachschule und hatte monatliche Schulgebühren zu entrichten. Während dieser Zeit bezog sie Leistungen nach dem sog. "Hartz-IV-Gesetz" (SGB II), wobei der Leistungsträger die der Beschwerdeführerin ebenfalls gewährten Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) als bedarfsminderndes Einkommen berücksichtigte.

Auf ihre Klagen vor den Sozialgerichten entschied schließlich das Bundessozialgericht (BSG), dass die Leistungen nach dem BAföG als bedarfsminderndes Einkommen anzurechnen seien, wobei lediglich eine Pauschale (20 % des Gesamtbedarfs nach dem BAföG) für ausbildungsbestimmte Kosten als zweckbestimmtes privilegiertes Einkommen in Abzug zu bringen sei; die Schulgebühren seien darüber hinaus nicht zusätzlich absetzbar.

Die 3. Kammer des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) hat die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung genommen. Weder lägen hierfür die Voraussetzungen vor noch sei die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten verletzt (Beschl. v. 07.07.2010, 1 BvR 2556/09).

Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG enthält einen Anspruch auf die Zurverfügungstellung derjenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind. Ein Anspruch auf Leistungen zur Finanzierung der Aufwendungen für den Besuch einer Privatschule oder zur Rücklagenbildung kann daraus nicht abgeleitet werden.

Auch wird dieses Grundrecht nicht dadurch verletzt, dass bei der Berechnung der Leistungen nach dem SGB II Einkommen angerechnet wird. Denn es greift erst dann ein, wenn und soweit andere Mittel zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nicht zur Verfügung stehen. Die Verfassung gebietet nicht die Gewährung von bedarfsunabhängigen, voraussetzungslosen Sozialleistungen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist es ausreichend, dass das Existenzminimum gedeckt werden kann, ohne dass es auf den Rechtsgrund der Einnahme oder die subjektive Verwendungsabsicht des Hilfebedürftigen ankäme.

Schließlich verletzt die Anrechnung des sog. Schüler-BAföG auch nicht den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Eine Ungleichbehandlung der Beschwerdeführerin gegenüber anderen Auszubildenden, die eine schulgeldfreie Schule besuchen, liegt nicht vor, da bei ihnen, soweit sie Leistungen nach dem SGB II beziehen, in gleicher Weise ihr BAföG-Einkommen angerechnet wird. Auch gegenüber bemittelten Auszubildenden wird die Beschwerdeführerin nicht schlechter behandelt, sondern sogar privilegiert. Denn Personen, die über hinreichendes Einkommen bzw. Vermögen verfügen, erhalten weder Leistungen nach dem SGB II noch Leistungen nach dem BAföG.

Zitiervorschlag

BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 22.07.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1025 (abgerufen am: 20.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen