Erst wurde in der Ampel-Koalition viel über das Heizungsgesetz gestritten, dann sollte es plötzlich ganz schnell gehen. Auf Antrag eines Abgeordneten stoppte das BVerfG die hastige Verabschiedung. So begründete das Gericht die Entscheidung.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dem Deutschen Bundestag aufgegeben, die zweite und dritte Lesung zum Gesetzentwurf zum Gebäudeenergiegesetz (GEG) nicht innerhalb der laufenden Sitzungswoche durchzuführen (Beschl. v. 05.07.2023, Az. 2 BvE 4/23). Das Gesetz wird daher erst im September kommen.
Monatelang hatten die Koalitionspartner der SPD, der Grünen und der FDP um die Reformen des GEG, auch Heizungsgesetz genannt, gerungen. Schließlich konnte man einen Kompromiss erzielen. So sollen künftig nur noch Heizungen neu eingebaut werden, die auf die Dauer zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden können. Von 2024 an gilt das erst einmal nur für Neubaugebiete. Im Bestand greift die Regel erst, wenn eine kommunale Wärmeplanung vorliegt. Sie soll bis spätestens 2028 erarbeitet werden. Dann können Hauseigentümer entscheiden, welche Heiztechnik die beste für sie ist.
Wenn eine Erdgas- oder Ölheizung irreparabel kaputt ist, soll es eine Übergangsfrist geben. Während der Übergangsfrist von fünf Jahren können Anlagen eingebaut, aufgestellt und betrieben werden, die nicht die Anforderungen von 65 Prozent erneuerbare Energien erfüllen. Diese angestrebte Wärmewende will der Staat mit Milliarden fördern: 30 bis 70 Prozent der Investition beim Kauf einer klimafreundlicheren Heizung sollen übernommen werden – je nach Einkommen und Tempo der Umstellung.
Kritik am Beschlussverfahren im Bundestag
Am vergangenen Freitag ging eine Formulierungshilfe des Bundeswirtschaftsministeriums mit dem Gesetzentwurf beim Klima- und Energieausschuss des Bundestages ein. Die bestand aus einer 94-seitigen Synopse der kurzfristigen Änderungsvorschläge und einem 14-seitigen Begründungsteil. Am Montag begannen dann die Beratungen im Bundestag, den Auftakt machte eine Anhörung im Klima- und Energieausschuss. Es folgte ein weiterer Änderungsantrag der Regierung.
Bis zum Ende der Woche sollte das Gesetz dann im Bundestag beschlossen werden. Der Hintergrund: Ab diesem Wochenende macht der Bundestag Sommerpause, bis Anfang September finden keine ordentlichen Sitzungen statt.
Der Ausschussvorsitzende Klaus Ernst (Linke) kritisierte, dass die Vorbereitungszeit für die Abgeordneten zu kurz sei. Er sprach von einer "Missachtung des Parlaments". Die Opposition kritisiert das ungewöhnliche Verfahren mit kurzen Fristen und mehrfachen Nachverhandlungen zwischen den Ampel-Partnern heftig. Ein weiterer Kritiker, der CDU-Abgeordnete Thomas Heilmann, beantragte eine einstweilige Anordnung beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Er forderte, dass der Bundestag mehr Zeit für Beratungen bekomme. Aufgrund der extrem kurzen Beratungszeiten im Bundestag seien seine Rechte und Pflichten als Abgeordneter verletzt.
Sein Eilantrag gemäß § 32 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) hatte nun Erfolg. Ob eine einstweilige Anordnung ergeht, orientiert sich an den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens – hier eines Organstreits (Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG) – und einer Folgenabwägung.
BVerfG: Verletzung parlamentarischer Beteiligungsrechte möglich
Die Erfolgsaussichten des Organstreits sehen die Karlsruher Richter offen, der Antrag sei "weder von vornherein unzulässig noch offensichtlich unbegründet". Die von Heilmann vorgetragene Verletzung des Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe an der parlamentarischen Willensbildung aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG erscheine nicht ausgeschlossen. Im Zentrum des Hauptsacheverfahrens steht das Gesetzgebungsverfahren selbst. Ob die Terminierung der zweiten und dritten Lesung einzeln gerügt werden könne, sei nach dem BVerfG offen. Aber jedenfalls "die Ausgestaltung eines Gesetzgebungsverfahrens in seiner Gesamtheit" bilde einen tauglichen Gegenstand.
Ob die Beteiligungsrechte der Parlamentarier tatsächlich durch eine Verabschiedung des GEG bis Freitag verletzt worden wären, stellte das BVerfG am Mittwochabend noch nicht fest. Im Gegenteil: Die Richter betonten in ihrem Beschluss die Komplexität der in einem Eilverfahren "nicht leistbaren" Prüfung. Sie führten vorerst nur eine Folgenbetrachtung durch: Das BVerfG muss im Eilverfahren abwägen, ob die durch das Abwarten der Hauptsacheentscheidung eintretenden Nachteile schwerer wiegen als die aus dem Erlass einer einstweiligen Anordnung resultierenden.
Im vorliegenden Fall bewertete das Gericht, was schlimmer wäre: eine gedrängte, nicht mehr rückgängig zu machende, Verabschiedung des GEG durch den Bundestag oder eine Verschiebung der Abstimmung auf einen unbestimmten Zeitpunkt (der voraussichtlich nach der Sommerpause liegen wird). Diese Entscheidung machten sich die Richter, die letztlich mit 5:2 Stimmen entschieden, nicht leicht: Die zweite und dritte Lesung gerichtlich zu stoppen, stelle einen "erheblichen Eingriff in die Autonomie des Parlaments […] und damit in die originäre Zuständigkeit eines anderen obersten Verfassungsorgans" dar. Doch der umgekehrte Fall wäre laut dem BVerfG schlimmer: "Dem Antragsteller wäre unwiederbringlich die Möglichkeit genommen", seine Mitwirkungsrechte "in dem verfassungsrechtlich garantierten Umfang wahrzunehmen".
Keine Sondersitzung in der Sommerpause
Die Union begrüßt die Entscheidung. Antragsteller Heilmann sprach am Donnerstag von einem "Weckruf aus Karlsruhe", der Regierung habe er mit seinem erfolgreichen Eilantrag einen Gefallen getan. Parteikollegen fordern ein komplett neues Gesetz. "Das verloren gegangene Vertrauen kann nicht mit dem Durchdrücken des unveränderten Gesetzes in einer Sondersitzung im Sommer wiederhergestellt werden", so der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion Andreas Jung gegenüber der dpa.
Auf die von Jung angesprochene Möglichkeit, dass sich der Bundestag während der Sommerpause in Sachen GEG zu einer Sondersitzung zusammenfindet, hatte das BVerfG in seinem Beschluss ausdrücklich hingewiesen. Die Ampel-Koalition jedoch will die zweite und dritte Lesung des GEG erst für die nächste reguläre Sitzungswoche Anfang September auf die Tagesordnung setzen, wie die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen und FDP am Donnerstag in Berlin mitteilten.
dpa/ast/fz/mk/LTO-Redaktion
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BVerfG stoppt schnelle Verabschiedung: . In: Legal Tribune Online, 05.07.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52141 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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