BVerfG sieht Verstoß gegen Art. 3 I GG: Verbot des Ver­lust­vor­trags ver­fas­sungs­widrig

12.05.2017

§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG verbietet einen Verlustvortrag bei einem schädlichen Beteiligungserwerb innerhalb von fünf Jahren. Für diese Ungleichbehandlung fehle aber der sachliche Grund, so das BVerfG. Jetzt muss der Gesetzgeber nachbessern. 

Das Körperschaftsteuergesetz (KStG) muss nach einer Beanstandung durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) rückwirkend nachgebessert werden. § 8c Abs. 1 Satz 1 KStG sei mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) unvereinbar. Das geht aus einem am Freitag veröffentlichten Beschluss hervor (Beschl. v. 29.03.2017, Az. 2 BvL 6/11).

Ähnlich zur Einkommenssteuer bei natürlichen Personen werden mit der Körperschaftssteuer bestimmte Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen mit Sitz im Inland mit einem Steuersatz von 15 Prozent besteuert. Kapitalgesellschaften können negative Einkünfte in bestimmten Grenzen vom Gesamtbetrag der Einkünfte des vergangenen und der folgenden Jahre abziehen. Davon macht § 8c Absatz 1 Satz 1 KStG eine Ausnahme. Demnach kann der der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft anteilig wegfallen, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 Prozent und bis zu 50 Prozent der Anteile übertragen werden (sogenannter schädlicher Beteiligungserwerb).

Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler, der das Verfahren als Musterklage unterstützt, geht es in dem Fall um eine GmbH, die Pauschalreisen organisiert. Sie hatte 2006 und 2007 Verlust gemacht und 2008 bis zu ihrer Abwicklung Gewinn. Weil zum Jahreswechsel 2007/08 ein Gesellschafter wechselte, berechnete das Finanzamt mehr als 43.000 Euro Steuern für 2008. Das Finanzgericht (FG) Hamburg setzte das Verfahren aus, um Karlsruhe entscheiden zu lassen.

Verstoß gegen das Willkürverbot

Die Verfassungsrichter kippten die Vorschrift nun. Für die Ungleichbehandlung von Kapitalgesellschaften bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte im Fall eines sogenannten schädlichen Beteiligungserwerbs fehle ein sachlich einleuchtender Grund.

§ 8c Abs. 1 Satz 1 KStG verstoße bereits gegen das Willkürverbot. Zwar sei das Ziel der Bekämpfung von legalen, jedoch unerwünschten Steuergestaltungen ein legitimer Zweck, der Ungleichbehandlungen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG rechtfertigen kann. Die Anknüpfung an einen Übertragunsanteil von mehr als 25 Prozent indiziere für sich genommen aber keine missbräuchliche Gestaltung. Für die Übertragung einer derartigen Beteiligung an einer Verlustgesellschaft könne es nämlich vielfältige Gründe geben, die nicht regelmäßig darin bestünden, die Verluste für ein anderes Unternehmen des neuen Anteilseigners nutzbar zu machen, argumentierte das BVerfG.

Wenn der Gesetzgeber davon ausgeht, dass sich die wirtschaftliche Identität einer Gesellschaft durch das wirtschaftliche Engagement eines anderen Anteilseigners bei einer Beteiligung von mehr als 25 Prozent und bis zu 50 Prozent ändere, habe er die Grenzen seiner Typisierungsbefugnis überschritten. Denn weder aus der Gesetzesbegründung noch aus sonstigen Gründen ist ersichtlich, warum gerade bei einer solchen Übertragung im Regelfall von einer Identitätsänderung auszugehen sei, so die Karlsruher Richter weiter.

Die von 2008 bis Ende 2015 gültige Vorschrift muss deshalb bis Ende kommenden Jahres korrigiert werden.

Mit Materialien von dpa

mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

BVerfG sieht Verstoß gegen Art. 3 I GG: . In: Legal Tribune Online, 12.05.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22907 (abgerufen am: 22.11.2024 )

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