Unzulässig - daran scheiterte die Verfassungsbeschwerde von Verdi zum Streikrecht bei kirchlichen Trägern. Es fehle an einer unmittelbaren und gegenwärtigen Betroffenheit, entschied Karlsruhe.
Was auch immer kirchliche Arbeitgeber vielleicht einmal machen, um die Gewerkschaften bei ihren arbeitsrechtlichen Regelungen außen vor zu halten, müssen die Arbeitnehmervertreter erst einmal abwarten. Bisher jedenfalls ist das BAG-Urteil, das Verdi vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen hatte, eher günstig für die Gewerkschaften. Alles andere ist Zukunftsmusik - und begründet keine Beschwerdebefugnis der Gewerkschaft.
Verdi ist daher mit einer Verfassungsbeschwerde zum Streikrecht in kirchlichen Einrichtungen gescheitert. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) wies die Beschwerde als unzulässig zurück. In dem Verfahren ging es um die Teilnahme der Gewerkschaften an kirchlichen Tarifverhandlungen nach dem sogenannten Dritten Weg und ein mögliches Streikrecht (Beschl v. 15.07.2015, Az. 2 BvR 2292/13).
Verdi hatte sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) gerichtet (Urt. v. 20.11.2012, Az. 1 AZR 179/11). Das BAG hatte seinerzeit das Streikverbot für Mitarbeiter kirchlicher Einrichtungen zwar gelockert und eine bessere Einbindung der Gewerkschaften angemahnt. Gleichzeitig wurde das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen im Grundsatz aber bestätigt. In den Entscheidungsgründen hatte das BAG ausgeführt, dass gewerkschaftliche Streiks mit Tarifbezug das kirchliche Selbstbestimmungsrecht in rechtswidriger Weise beeinträchtigen und damit generell rechtswidrig seien. Verdi zog daraufhin nach Karlsruhe.
Das BVerfG stellte jetzt jedoch keine - für die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung erforderliche - Beschwer von Verdi fest. Beschwerdebefugt könne nach § 93 Abs. 1 Nr 4a Grundgesetz (GG) und § 90 Abs. 1 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) nur sein, wer behaupten kann, durch einen Akt der öffentlichen Gewalt in seinen Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt zu sein. Richte sich die Beschwerde - wie hier - gegen eine gerichtliche Entscheidung, könne sich die Beschwer in aller Regel nur aus dem Tenor der Entscheidung ergeben; er allein bestimme verbindlich, welche Rechtsfolgen aufgrund des festgestellten Sachverhalts eintreten. Aus dem Tenor des BAG-Urteils folge eine Beschwer hier allerdings nicht - der sei günstig gewesen.
Zukünftige Beeinträchtigungen sind nicht gegenwärtig
In engen Ausnahmefällen kann sich eine Beschwerdebefugnis aus den Urteilsgründen ergeben. Dafür bedürfe es, so Karlsruhe, allerdings einer gegenwärtigen Betroffenheit - befürchtete zukünftige Beeinträchtigungen zählten nicht dazu.
Das BAG habe jedoch durch sein Urteil lediglich das geltende Arbeitskampfrecht richterlich weiterentwickelt und nicht Recht gesetzt, welches für die Beschwerdeführerin in Zukunft verbindlich wäre, so das BVerfG. Jeder von einem Gericht entwickelte Rechtssatz, der einem Beteiligten Handlungspositionen eröffne, bedeute für den anderen Beteiligten eine gewisse Unsicherheit. Zu einer Beschwerdebefugnis dürfe das aber nicht führen. Erst müssten Fachgerichte hierüber entscheiden.
Schließlich verneinte das BVerfG auch eine unmittelbare Betroffenheit der Gewerkschafter. Denn die klagenden Kirchen hätten das Streikrecht jedenfalls selbst noch nicht durch kirchenrechtliche oder satzungsmäßige Regelungen ausgeschlossen. Diese Schritte seien erst noch erforderlich.
"Alles, was von Verdi vorgetragen wurde, ist keine Beschwer", sagt Professor Dr. Gregor Thüsing von der Uni Bonn. "Es bleibt also bei der Entscheidung des BAG: Wenn die Gewerkschaft zukünftig streiken sollte, obwohl sie im Dritten Weg einbezogen wurde, könnte das BAG diesen Streik letzinstanzlich für unzulässig erklären. Und dann mag Verdi nach Karlsruhe gehen - wenn auch meines Erachtens mit geringen Erfolgsausichten."
tap/una/LTO-Redaktion
Mit Material von dpa
Tanja Podolski, Verdi scheitert vor BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 02.09.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16779 (abgerufen am: 06.11.2024 )
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