Eine Kapitalgesellschaft, die keinen Aufsichtsrat hat, kann nicht wegen eines fehlenden Aufsichtsratsberichts sanktioniert werden - auch dann nicht, wenn sie einen Aufsichtsrat hätte haben müssen. Dies entschied das BVerfG in einem am Mittwoch veröffentlichten Beschluss.
Die Auferlegung eines Ordnungsgeldes würde gegen den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 Grundgesetz (GG) verstoßen, so die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). § 355 Handelsgesetzbuch (HGB), der die Verhängung eines Ordnungsgelds ermöglicht, dürfe nur auf Jahresabschlussunterlagen erstreckt werden, die nachträglich noch erstellt werden können. Fehle ein Aufsichtsrat gänzlich, könne ein Aufsichtsratsbericht aber auch nicht nachgereicht werden.
Nach dem strengen Bestimmtheitsgebot des Art. 103 GG müssen strafrechtliche oder strafähnliche Normen das Erlaubte klar vom Verbotenen abgrenzen. Tragweite und Anwendungsbereich des Tatbestandes müssen für den Betroffenen klar erkennbar sein. Anwendbar sei Art. 103 GG, weil das Ordnungsgeld nach § 355 HGB nicht nur eine Beugefunktion, sondern auch sanktionierenden Charakter habe.
Die Kammer wies zudem darauf hin, dass weder das Drittelbeteiligungsgesetz noch die entsprechend anzuwendenden Vorschriften des Aktiengesetzes es sanktionierten, wenn ein Unternehmen einen Aufsichtsrat nicht bildet, obwohl es dies müsste. Der Gesetzgeber habe vielmehr Arbeitnehmer, Betriebsrat und Gewerkschaften dazu berechtigt, die Bildung eines Aufsichtsrats zu beantragen.
Gewehrt hatte sich eine GmbH, die nach dem Drittelbeteiligungsgesetz verpflichtet gewesen wäre, einen Aufsichtsrat zu bilden, dies jedoch unterlassen hatte. In der Folge legte sie mit den Jahresabschlussunterlagen auch keinen Bericht des Aufsichtsrats vor. Das Bundesamt für Justiz setzte deshalb ein Ordnungsgeld in Höhe von 2.500 Euro fest und drohte ein weiteres Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 Euro an. Vor dem Landgericht (LG) Bonn blieb die GmbH mit einer Beschwerde gegen das Ordnungsgeld erfolglos.
Das BVerfG hob den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zurück (Beschl. v. 09.01.2014, Az. 1 BvR 299/13).
cko/LTO-Redaktion
BVerfG zu fehlendem Aufsichtsratsbericht: . In: Legal Tribune Online, 19.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11056 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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