Die Schuldenbremse soll in das Grundgesetz, Bund und Länder dürfen ab 2020 keine Kredite mehr aufnehmen, um den Haushalt auszugleichen. Der schleswig-holsteinische Landtag und dessen Präsident wehrten sich, die Verfassungsautonomie des Landes werde verletzt. Das BVerfG lehnte den Antrag im Bund-Länder-Streit wegen Unzulässigkeit ab, wie am Freitag bekannt wurde.
Der schleswig-holsteinische Landtag und der Landtagspräsident sind nicht befugt, gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 3 Grundgesetz (GG) und § 68 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) einen Antrag im Bund-Länder-Streit gegen die Verankerung der Schuldenbremse im GG zu stellen. Das Bundesverfassungsgericht (BverfG) verwarf den Antrag wegen Unzulässigkeit (Beschl. v. 19.08.2011, Az. 2 BvG 1/10).
Sind Bund und Länder uneins über ihre Rechte und Pflichten aus der Verfassung, ist das BVerfG der richtige Ansprechpartner (so genannter Bund-Länder-Streit). Das Gesetz bestimmt in § 68 BVerfGG allein die Bundesregierung und Landesregierungen als befugte Antragssteller in einem solchen Verfahren.
Nach Ansicht des BVerfG ist diese Beschränkung auf Regierungen verfassungsrechtlich unbedenklich. Sie diene "der Vermeidung eines ebenenübergreifenden Organstreits und widersprüchlicher Prozesshandlungen". Das Rechtsstaatsprinzip und der Grundsatz der Bundesstaatlichkeit werden durch § 68 BVerfGG nicht verletzt.
Auch wenn um Gesetzgebungskompetenzen gerungen werde, ergebe sich für Landesparlamente kein Defizit. Sie könnten die eigene Landesregierung anregen, den Streit zu führen. Oder vor dem Landesverfassungsgericht mit einer Organklage die Verpflichtung der Landesregierung erstreiten, im Sinne des Landesparlaments gegenüber der Bundesregierung tätig zu werden. Außerdem könne ein Bundesgesetz mit der abstrakten Normenkontrolle angegriffen werden.
Auch keine Antragsbefugnis über Umwege
Die Garantie effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG sei für die antragstellende Landesregierung nicht einschlägig, weil sie als "formelles Hauptgrundrecht" den natürlichen und juristischen Personen des Privatrechts dazu dienen soll, ihre Rechte durchzusetzen. Auf Gebietskörperschaften und deren Organe finde die Garantie grundsätzlich keine Anwendung.
Die Beschränkung in § 68 BVerfGG könne nicht erweitert ausgelegt werden, weil der Gesetzgeber gesehen habe, dass im Bund-Länder-Streit nicht nur über Gegenstände der Exekutive gestritten werde. Auch um Gesetzgebungskompetenzen könnten sich die Verfahren drehen, diese Möglichkeit sei folglich nicht gänzlich unberücksichtigt geblieben. Eigene Antragsbefugnisse für Landesregierungen seien in das GG nur in eng begrenzten Ausnahmefällen nachträglich eingeführt worden.
Ausscheiden müsse auch eine Prozessstandschaft des Landtages, mit der das Parlament fremde Rechte in eigenem Namen verfolgen würde. Im Bund-Länder-Streit sei eine Prozessstandschaft nicht möglich, weil es hier nicht um eine Verletzung von Zuständigkeiten der Landesregierung ginge. Außerdem liefe eine Prozessstandschaft darauf aus, § 68 BVerfGG zu umgehen und seiner Wirkung zu berauben.
ssc/LTO-Redaktion
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BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 16.09.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/4315 (abgerufen am: 25.11.2024 )
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