Es bleibt dabei: Studierende und andere junge Menschen können die Ausgaben für ihre erste Ausbildung beim Finanzamt nicht als Werbungskosten geltend machen. Das Abzugsverbot verstößt laut BVerfG nicht gegen das Grundgesetz.
Fachbücher, Kopierkosten, Semesterbeiträge und das WG-Zimmer - ein Studium kann für junge Leute ganz schön teuer werden. § 9 Abs. 6 Einkommensteuergesetz (EStG) nimmt die Aufwendungen für ein Erststudium aber generell vom Begriff der Werbungskosten aus. Sie sind also nicht als Ausgaben, die mit dem Beruf zusammenhängen, in voller Höhe absetzbar. Stattdessen mindern die Aufwendungen für die Erstausbildung lediglich als Sonderausgaben. Das hat zwei Nachteile: Es geht nur bis zu einer Höhe von 6.000 Euro - und nur, wenn man schon Steuern zahlt.
Es gibt aber auch Ausnahmen. Die Kosten für ein Zweitstudium können als Werbungskosten abzugsfähig sein. Gleiches gilt, wenn die Berufsausbildung oder das Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet. Das kann zum Beispiel bei einem Referendariat, einer Lehre oder einem dualen Studium der Fall sein - meist, wenn man während der Ausbildung ein Gehalt bekommt.
Das Bundessverfassungsgericht (BVerfG) hat entschieden, dass die Regelungen im EStG zur steuerlichen Behandlung von Erstausbildungskosten verfassungsgemäß sind. Dass Aufwendungen für die erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium nicht als Werbungskosten abgesetzt werden können, verstößt nicht gegen das Grundgesetz, wie das Karlsruher Gericht am Freitag mitteilte (Beschl. v. 19.11.2019 Az. 2 BvL 22/14 bis 2 BvL 27/14).
BFH hielt Regelungen für verfassungswidrig
Der 6. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) war der Ansicht, dass das sogenannte Abzugsverbot bei Erststudium und Erstausbildung gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoße. Die Berufsausbildung bzw. ein Studium sei regelmäßig eine notwendige Voraussetzung, um später Einnahmen zu erzielen, argumentierte das oberste deutsche Steuergericht. Die Aufwendungen für die Erstausbildung seien daher auch beruflich veranlasst und somit vorweggenommene Werbungskosten. Zudem gebe es, so der BFH, keinen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung von Erststudium und Zweitstudium bzw. dem Studium im Rahmen eines Dienstverhältnisses.
Der BFH hatte deshalb sechs Verfahren ausgesetzt und die Fälle dem BVerfG vorgelegt. Einer der Kläger im Ausgangsverfahren hatte internationale Betriebswirtschaftslehre studiert und ein Auslandssemester in Australien gemacht. Er wollte Studiengebühren, Miete, Flug und Verpflegungsmehraufwand in seiner Steuererklärung absetzen. Das Finanzamt ließ das aber nicht zu, weil es sich um ein Erststudium handelte. In einem anderen Fall machte jemand eine Ausbildung zum Berufspiloten und wollte die Kosten in Höhe von rund 70.000 Euro als Werbungskosten absetzen.
Die Karlsruher Verfassungsrichter entschieden nun aber, dass die Regelungen im EStG verfassungsgemäß sind. Laut Gericht durfte der Gesetzgeber die Erstausbildungskosten als privat (mit-)veranlasst qualifizieren und den Sonderausgaben zuordnen.
Persönlichkeitsentwicklung statt Berufsvorbereitung
Die erste Ausbildung oder das Erststudium unmittelbar nach dem Schulabschluss vermittelten nicht nur Berufswissen, sondern prägten die jungen Menschen in ihrer Persönlichkeit, entschied das BVerfG. Studierende könnten Begabungen und Fähigkeiten entwickeln, die "nicht zwangsläufig für einen künftigen konkreten Beruf notwendig sind". Außerdem gebe es viele Studiengänge, die gar nicht gezielt auf einen Beruf vorbereiteten - und viele Berufe, für die es nicht auf ein bestimmtes Studium ankomme. Die Ausbildung diene also zu viel mehr als nur dazu, einen Beruf zu ergreifen und (steuerpflichtiges) Geld zu verdienen. Die Verfassungsrichter räumten zwar ein, dass der Zusammenhang zum Beruf bei der Pilotenausbildung "sehr konkret" sei. Das sei aber eine sehr spezielle Konstellation, die nicht viele betreffe. Der Gesetzgeber habe dies deshalb vernachlässigen dürfen.
Auch die Differenzierung des Gesetzgebers zwischen Erst- und Zweitstudium bzw. Ausbildung sei gerechtfertigt. Zweitausbildungen fallen laut BVerfG nicht mehr in den Grenzbereich zwischen allgemeinbildender Schule und erstmaliger Erwerbstätigkeit. Ihnen fehle "das Erstausbildungen verbindende Element, dass sie Grundvoraussetzung für die persönliche Entwicklung und die Erlangung und Festigung einer gesellschaftlichen Stellung sind." Bei Erstausbildung und Erststudium im Rahmen eines Dienstverhältnisses sei die bereits aktuell ausgeübte Erwerbstätigkeit ein sachlicher Grund, der den Gesetzgeber zur Differenzierung berechtige.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt), der den BWL-Studenten bei seiner Klage unterstützte, fordert eine bessere steuerliche Anerkennung der Ausgaben. "Die Politik sollte das Urteil zum Anlass nehmen, über die steuerliche Behandlung von Erststudienkosten neu nachzudenken", sagte BdSt-Präsident Reiner Holznagel. Der BdSt werde sich weiter politisch für die bessere steuerliche Absetzbarkeit von Studien- und Ausbildungskosten einsetzen.
acr/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG bestätigt steuerliche Behandlung von Erstausbildungskosten: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/39615 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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