Öffentlicher Dienst in NRW: BVerfG kippt Alters­vorgaben für Beamten­einstel­lung

28.05.2015

Bei der Einstellung von Beamten können Altershöchstgrenzen festgelegt werden - aber nicht durch die bisher in NRW geltenden Regelungen. Die sind in der aktuellen Formulierung verfassungswidrig, entschied das BVerfG.

Die Regelungen der Laufbahnverordnung vom 30. Juni 2009, nach denen die Einstellung von Beamten aufgrund des erreichten Lebensalters verweigert werden kann, verstoßen gegen Art. 33 Abs. 2  Grundgesetz (GG). § 5 Abs. 1 des Landesbeamtengesetz Nordrhein-Westfalen (LBG NRW) stellt keine hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung zur Festsetzung von Einstellungshöchstaltersgrenzen dar. Dies hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden (Beschl. v. 21.04.2015, Az. 2 BvR 1322/12, 2 BvR 1989/12). Gleichzeitig stellten die Richter klar, dass der Gesetzgeber unter bestimmten Voraussetzungen Altershöchstgrenzen für die Einstellung von Beamten grundsätzlich festlegen darf.

Geklagt hatten zwei angestellte Lehrkräfte an öffentlichen Schulen in Nordrhein-Westfalen. Beide Kläger waren zunächst als angestellte Lehrer beschäftigt, bevor sie 2009 den Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe stellten. Dabei hatten sie das 40. Lebensjahr bereits vollendet und damit die nach der maßgeblichen Laufbahnverordnung geltende Altersgrenze für die Einstellung überschritten. Bis zu welchem Höchstalter Bewerber in das Beamtenverhältnis übernommen werden dürfen, ist in Bund und Ländern unterschiedlich geregelt.

Die Bezirksregierung lehnte ihre Anträge daher aus Altersgründen ab. Ihre Klagen vor den Verwaltungsgerichten blieben ohne Erfolg. Der Senat hat nun beiden Verfassungsbeschwerden stattgegeben und die Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht zurückverwiesen.

Gesetzgeber hat sich keine Gedanken gemacht

Altershöchstgrenzen bei der Einstellung schließen ältere Bewerber regelmäßig ohne Rücksicht auf Eignung, Befähigung und fachliche Leistung vom Beamtenverhältnis aus. Daher führten sie zu einer Ungleichbehandlung von einiger Intensität, so die Bundesrichter. Da sie Zugangsbedingungen zum Beamtenverhältnis festlegen, komme ihnen - ebenso wie Ruhestandsgrenzen - statusbildende Funktion zu. Daher stellten sie einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG und grundsätzlich auch in Art. 33 Abs. 2 GG dar, wobei das Beamtengrundrecht eine die Berufswahlfreiheit ergänzende Regelung treffe.

Art 33 Abs. 2 GG gewährleiste jedem Deutschen unbeschränkt und vorbehaltlos das Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Daher könne dieses Grundrecht nur durch verfassungsimmanente Schranken begrenzt werden, begründeten die Richter ihre Entscheidung. Es sei daher vorrangig Aufgabe des Parlamentsgesetzgebers, die Abwägung und den Ausgleich zwischen dem Leistungsgrundsatz des Art. 33 Abs. 2 GG und anderen in der Verfassung geschützten Belangen vorzunehmen. Denn das Rechtsstaats- und das Demokratiegebot verpflichteten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht der Exekutive zu überlassen.

Die pauschale Ermächtigung zur Regelung des Laufbahnwesens der Beamten in § 5 Abs. 1 Satz 1 LBG genüge den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage daher nicht. Weder die Norm selbst noch ihr systematischer Zusammenhang mit anderen Vorschriften noch die Gesetzgebungsmaterialien ließen erkennen, dass der nordrhein-westfälische Gesetzgeber sich Gedanken über die Einführung von Einstellungshöchstaltersgrenzen und ihre grundrechtliche Eingriffsrelevanz gemacht hat. Es fehle daher bereits im Ansatz an einer parlamentarischen Leitentscheidung.

Ruhestand verdient nur, wer lang genug gearbeitet hat

Angesichts der bereits länger bestehenden rechtlichen Unsicherheiten hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Einstellungshöchstaltersgrenzen konkretisierten die Verfassungsrichter für den Gesetzgeber in NRW die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Ermächtigungsgrundlage für diese Altersgrenzen. Sie seien grundsätzlich zulässig, um ein ausgewogenes zeitliches Verhältnis zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit zu gewährleisten. Der Gesetzgeber verfüge insoweit über einen gewissen Gestaltungsspielraum.

Die von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen könnten grundsätzlich nur auf Gesichtspunkte gestützt werden, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen. Das Lebensalter sei – anders als etwa bei den Einsatzkräften in Militär, Polizeivollzugsdienst und Feuerwehr - für Lehrer an sich kein solch relevantes Kriterium, denn bei ihnen spiele die körperliche Leistungsfähigkeit keine Rolle.

Allerdings könnten die Altersgrenzen durch Ziele eingeschränkt werden, denen ebenfalls Verfassungsrang eingeräumt ist, etwa aus Art. 33 Abs. 5 GG. Zweck der Altersgrenzen für Beamte sei im Wesentlichen die Gewährleistung eines ausgewogenen zeitlichen Verhältnisses zwischen Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit. Denn die Alimentation des Beamten im Ruhestand rechtfertige sich nur, wenn dessen Arbeitskraft dem Dienstherrn zuvor über einen längeren Zeitraum uneingeschränkt zur Verfügung gestanden habe. Die Altersgrenzen könnten im Zusammenspiel mit den Ruhestandsgrenzen wesentlich sein, um das beamtenrechtliche Versorgungssystems zu finanzieren und damit das Alimentations- und des Lebenszeitprinzip zu sichern. Die widerstreitenden Grundsätze von Art. 33 Abs. 2 und Abs. 5 GG müssten daher in Einklang gebracht werden.

Der wirtschaftliche Wert der Altersversorgung lasse sich aber nicht exakt zahlenmäßig bestimmen. Denn neben der Dauer der Aufbauphase während der aktiven Dienstzeit sei er außerdem abhängig von der Dauer der Auszahlungsphase, der Besoldungsgruppe des Beamten, der Anrechnung von Rentenansprüchen und weiteren Faktoren. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten sei dem Gesetzgeber bei der Einführung und Ausgestaltung von Einstellungshöchstaltersgrenzen für Beamte ein Gestaltungsspielraum einzuräumen, dessen Umfang sich unter anderem aus den Grenzen von Art. 33 Abs. 2 GG sowie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebe.

ahe/dpa/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Öffentlicher Dienst in NRW: . In: Legal Tribune Online, 28.05.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15676 (abgerufen am: 18.11.2024 )

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