BVerfG zur Richterbefangenheit: Schon Vor­be­rei­tungs­hand­lung kann befangen machen

11.01.2019

Ein Richter kann auch schon dann wegen Besorgnis der Befangenheit ausgeschlossen werden, wenn es noch gar nicht zu einem Verfahrensfehler gekommen ist. Eine Vorbereitungshandlung, etwa das Erfragen eines Passwortes, kann bereits genügen.

Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters ist nach einem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) bereits dann begründet, wenn bestimmte Vorbereitungshandlungen den Eindruck seiner  Voreingenommenheit erwecken. Zu einem endgültigen Verfahrensfehler muss es dafür noch nicht gekommen sein, entschied die 1. Kammer des Ersten Senats mit am Donnerstag veröffentlichtem Beschluss (Beschl. v. 21.11.2018, Az. 1 BvR 436/17).

Geklagt hatte eine Krankenkasse beim Sozialgericht München (SG), die von einem Pfleger 49.000 Euro forderte, weil er zusammen mit einem Versicherten der Krankenkasse Abrechnungsbetrug begangen haben soll. Die klagende Krankenkasse übersandte dem Gericht dazu eine passwortgeschützte CD mit der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte, die in Absprache mit dem Staatsanwalt nur für das Gericht bestimmt war. Das Passwort könne das Gericht telefonisch bei der Staatsanwaltschaft erfragen. Das tat die zuständige Richterin auch und verfügte gleichzeitig die Übersendung einer Durchschrift des Schriftsatzes, mit dem die CD übersandt wurde, an den "KlBev" (gemeint war wohl der Bevollmächtigte des beklagten Beschwerdeführers) zur Kenntnisnahme. Diese Verfügung wurde nicht ausgeführt. Das reicht, um sich der Besorgnis der Befangenheit auszusetzen, entschieden die Karlsruher Richter.

Denn bei vernünftiger Würdigung des Einzelfalls könne der Eindruck der einseitigen Verfahrensführung entstehen, da die Ermittlungsakte nur für das Gericht und nicht für den beklagten Pfleger, beziehungsweise seinen Anwalt bestimmt war. Daran ändere es auch nichts, dass die Richterin davon ausgegangen sei, dass die Akte auch der Gegenseite zur Verfügung gestellt wird. Insoweit fehle es schlicht an einer objektiven Grundlage, die entsprechendes belege.

Die Besorgnis der Befangenheit könne auch dadurch nicht beseitigt werden, dass die Richterin nie beabsichtigte, dem Verfahren Akten zu Grunde zu legen, die einer Partei nicht zur Verfügung stünden. Denn durch die aktive Erfragung des Passwortes habe die Richterin eine Vorbereitungshandlung vorgenommen, die allein dazu diente, unmittelbar die Möglichkeit zu eröffnen, Einsicht in die Akten zu nehmen. Dass es noch gar nicht zur eigentlichen Akteneinsicht kam, spielt keine Rolle, resümierten die Verfassungsrichter.

Indem das Fachgericht den Antrag des Pflegers auf Ausschluss der Richterin ablehnte, hat es ihn daher in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Artikel 101 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz (GG) verletzt. Das Verfahren hat das BVerfG erneut an das SG zurückverwiesen.

Zitiervorschlag

BVerfG zur Richterbefangenheit: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/33159 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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