1980 begann das Finanzamt mit einer Außenprüfung, nach einer Unterbrechung ging sie 15 Jahre später weiter. Das BVerfG bestätigte nun den BFH: Die Einrede der Verjährung gilt nicht, der "verspätete" Steuerbescheid ist wirksam.
Die vom Bundesfinanzhof (BFH) vertretene Auslegung von § 171 Abs. 4 Satz 3 Abgabenordnung (AO), wonach sich bei Außenprüfungen der Lauf der Festsetzungsfrist nur bei definitivem Unterbleiben der Schlussbesprechung nach dem Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlung richte, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden und eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (Beschl. v. 21.07.2016, Az. 1 BvR 3092/15).
Das Finanzamt begann bei der Beschwerdeführerin im Jahr 1980 mit einer Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1974 bis 1978. Nach Unterbrechung wurde die Außenprüfung im Jahr 1995 fortgesetzt. Die Schlussbesprechung fand Ende 1996 statt. Das Finanzamt erließ daraufhin im Jahr 1997 geänderte Steuerbescheide.
Hiergegen klagte die Beschwerdeführerin, nach deren Aufassung die Behörde den Steuerbescheid nicht mehr hätte erlassen dürfen, erfolglos. In letzter Instanz verneinte der BFH jedoch den Eintritt der Festsetzungsverjährung. Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 Satz 3 AO richte sich nicht nach dem Zeitpunkt der letzten Ermittlungshandlung im Jahr 1989, sondern nach dem Zeitpunkt der Schlussbesprechung im Jahr 1996.
Die Beschwerdeführerin rügte mit ihrer Verfassungsbeschwerde nun vor allem die Verletzung der Prinzipien der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens. Die Auslegung des BFH führe zu einer "ewigen Verjährung" unter Kontrolle der Finanzverwaltung.
Unternehmen hätte Ablauf der Frist selbst in Gang setzen können
Die angegriffenen Entscheidungen verstoßen nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und Belastungsvorhersehbarkeit (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG), entschied die erste Kammer des ersten Senats . Die Auslegung des § 171 Abs. 4 Satz 3 AO durch den BFH, die bei Außenprüfungen den Lauf der Festsetzungsfrist nur bei definitivem Unterbleiben der Schlussbesprechung an die letzte Ermittlungshandlung knüpft, führe zu keiner mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unvereinbaren Handhabung der Regeln über die Festsetzungsverjährung bei Außenprüfungen.
Durch die dem Steuerpflichtigen nach § 201 Abs. 1 Satz 1 AO eröffnete Möglichkeit, auf die Schlussbesprechung zu verzichten, habe es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, den Ablauf der Festsetzungsfrist aus § 169 AO herbeizuführen. Gegen seinen Willen dürfe die Finanzbehörde keine Schlussbesprechung durchführen und könne so auch nicht den Fristlauf ab der letzten Ermittlungshandlung gegen den Willen des Steuerpflichtigen verhindern, entschied das BVerfG.
Es sei auch nicht erkennbar, dass ein Verzicht auf die Schlussbesprechung mit unzumutbaren Nachteilen verbunden gewesen wäre. Im vorliegenden Beschwerdefall, in dem seit der letzten Ermittlungshandlung die Festsetzungsverjährung nach § 169 AO ohne Berücksichtigung dieser Ablaufhemmung bereits abgelaufen wäre, konnte der Steuerpflichtige ohne erkennbaren Rechtsnachteil auf die Schlussbesprechung verzichten, so das Gericht. Ein Verzicht hätte laut Beschluss unmittelbar zum Eintritt der Verjährung und damit zum Erlöschen des Steueranspruchs geführt.
acr/LTO-Redaktion
mit Materialien von dpa
Jahrelange Steuerprüfung: . In: Legal Tribune Online, 19.08.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20334 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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