Das BVerfG hat drei Verfassungsbeschwerden gegen Vereinsverbote zurückgewiesen. Darunter auch eine von Deutschlands größtem Neonazi-Verein. Wegen der Ausrichtung der Vereine war das Verbot das einzig wirksame Mittel, so die Richter.
Mit am Dienstag veröffentlichtem Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) drei Verfassungsbeschwerden gegen Vereinsverbote zurückgewiesen (Beschl. v. 13.07.2018, Az. 1 BvR 1474/12, Az. 1 BvR 670/13, Az. 1 BvR 57/17). Sowohl die angegriffene Verbotsvorschrift des Vereinsgesetzes (VereinsG) als auch die Entscheidungen der Behörden und Fachgerichte seien alle mit dem Grundgesetz vereinbar, so die Richter in Karlsruhe mit dem am Dienstag bekannt gewordenen Beschluss.
Mit ihren Verfassungsbeschwerden wehrten die drei Vereine sich gegen eine Verbotsverfügung. Das BVerfG stellt klar, dass die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz (GG) wegen der großen Bedeutung der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 Abs. 1 GG) eng auszulegen sind. Ein Vereinsverbot komme nur dann in Betracht, wenn keine gleich wirksamen, milderen Alternativen zur Verfügung stehen.
Demnach sei ein Vereinsverbot gemäß Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG nur begründet, wenn der erkennbare Zweck des Vereins wesentlich darin liegt, die Begehung von Straftaten durch Mitglieder oder Dritte hervorzurufen oder zu bestärken, indem er deren strafbares Handeln fördert oder sich damit identifiziert.
Das letzte Mittel - und doch gerechtfertigt
Im Fall des Verein Internationale Humanitäre Hilfsorganisation e.V. (IHH) sei dies der Fall gewesen, so das BVerfG. Nach den Feststellungen des Verfassungsschutzes verberge sich hinter dem harmlos anmutenden Namen eine Vereinigung, die durch Spenden in Millionenhöhe die Hamas unterstützte. Die Hamas ist eine von der Europäischen Union als Terrororganisation eingestufte Vereinigung, die gegen elementare Grundsätze des Völkerrechts verstößt. 2010 hatte der damalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) den IHH verboten, weil der unter dem Deckmantel der humanitären Hilfe eine Organisation unterstütze, die Gewalt gegen Israel ausübe. Binnen drei Jahren sollen 6,6 Millionen Euro an sechs Sozialvereine im Gaza-Streifen geflossen sein.
Zwar habe der IHH die Hamas nur mittelbar unterstützt. Ein Vereinsverbot kann aber auch dann greifen, wenn die Völkerverständigung nur mittelbar gefährdet wird, indem Spenden den Terror fördern, so der erste Senat. Das Verbot sei auch verhältnismäßig.
Die zweite Verfassungsbeschwerde stammte von dem Verein Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V. (HNG). Ein ebenfalls ungefährlich klingender Name, hinter dem sich aber nach Erkenntnissen der zuständigen Behörden und des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) Deutschlands größter Neonazi-Verein verberge. Der HNG fördere durch eine regelmäßig veröffentlichte Vereinszeitschrift inhaftierte Rechtsextreme in ihrer Haltung gegen die Grundlagen der Verfassung. In den Zeitschriften werde die Bundesrepublik nicht nur als "korrupt" verächtlich gemacht. Vielmehr rufe der HNG dazu auf, die Bundesrepublik aktiv zu "untergraben".
Auch in diesem Fall hat das BVerfG nach eigenen Angaben die Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG eng ausgelegt. Denn eine gemäß Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Vereinigung liege nur vor, wenn sie eine nach außen erkennbare aggressiv-kämpferische Haltung gegen die Grundsätze der Verfassung einnimmt. Genau das habe der HNG mit seiner Kampfansage gegen die Bundesrepublik aber getan.
Straftaten, die dem Verein unmittelbar zuzurechnen sind
Und auch die Verfassungsbeschwerde des Vereins Hells Angels Charter Westend Frankfurt am Main wies das BVerfG als unbegründet zurück. Von dem Verein gehe eine besondere Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus.
Ein milderes Mittel als ein Verbot war nicht ersichtlich, so die Richter in Karlsruhe. Die straffälligen Mitglieder träten immer wieder als geschlossene Organisation auf, um Straftaten zu begehen, die sich als Vereinsaktivitäten darstellten und so diesem unmittelbar zuzurechnen waren.
Schließlich äußerte sich das BVerfG auch zu dem Gesetz, aufgrund dessen die Verbote erlassen wurden. Das Karlsruher Gericht stellte klar, dass § 3 Abs. 1. Satz 1 VereinsG mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben im Einklang steht. Insbesondere sei die Norm hinreichend bestimmt. Daran fehle es nicht etwa bereits dann, wenn ein Gesetz auslegungsbedürftig ist. Die Grenze zur Unbestimmtheit sei erst dann erreicht, wenn Vorhersehbarkeit und Justiziabilität des Handelns der ermächtigten Behörde gefährdet seien. So sei es hier aber nicht.
tik/LTO-Redaktion
Hamas-Unterstützer, Neonazis, kriminelle Rocker: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30449 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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