BVerfG setzt Teil der Corona-Verordnung Niedersachsens außer Kraft: Aus­nahms­loses Verbot von Got­tes­di­ensten gekippt

30.04.2020

Wenn wegen Corona Gottesdienste verboten sind, so müsse es zumindest auch Ausnahmeregelungen geben: Das BVerfG würdigt zwar den Gesundheitschutz, berücksichtigt aber auch den starken Eingriff in die Glaubensfreiheit. 

Freitagsgebete im muslimischen Fastenmonat Ramadan dürfen auch in der Coronakrise nicht generell verboten werden. Im Einzelfall müsse es möglich bleiben, nach eingehender Prüfung eine Ausnahmegenehmigung zu bekommen, hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Mittwoch entschieden. Die Karlsruher Richter setzten im Eilverfahren auf Antrag eines religiösen Vereins aus Niedersachsen die Regelung in der dortigen Corona-Verordnung außer Kraft (Beschl. v. 29.04.2020 Az. 1 BvQ 44/20). Diese hatte keine Möglichkeit für Ausnahmen vorgesehen.

Begründet haben die Richter ihre Entscheidung damit, dass nicht erkennbar sei, "dass eine einzelfallbezogene positive Einschätzung in keinem Fall erfolgen" könne. Die Entscheidung gilt nicht nur für Moscheen, sondern auch für Kirchen und Synagogen.

Geklagt hatte ein Verein mit rund 1.300 Mitgliedern, der umfangreiche Schutzvorkehrungen einhalten wollte. Die Vorinstanz, das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht, hatte trotzdem befunden, dass die erhöhte Gefahr, sich anzustecken, die Glaubensfreiheit überwiege. Beim gemeinsamen Beten und Singen sei mit einem hohen Virenausstoß zu rechnen, so Niedersachsens oberstes Verwaltungsgericht.

Das haben die Verfassungsrichter in Karlsruhe aber differenzierter beurteilt und festgestellt, dass zumindest die Möglichkeit bestehen müsse, eine Ausnahmegenehmigung zu beantragen. Dann oblige es der jeweiligen Behörde zu entscheiden, ob die Auflagen kontrolliert und eingehalten werden können. Dabei müssten die Behörden jedoch das "Gewicht des mit dem Verbot verbundenen Eingriffs in die Glaubensfreiheit" berücksichtigen. Insbesondere für Muslime im Fastenmonat Ramadan stelle das Verbot der Freitagsgebete einen schwerwiegenden Eingriff in die Glaubensfreiheit dar. 

Bestätigt hat das BVerfG jedoch die Ansicht der Vorinstanz, dass die Gefährdungslage bei Gottesdiensten und Einkäufen unterschiedlich zu beurteilen sei. Es könne also nicht lediglich darauf verwiesen werden, dass die für Verkaufsstellen und Ladengeschäfte geltenden Schutzvorkehrungen ausreichten und eingehalten werden.

vbr/LTO-Redaktion 

Mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

BVerfG setzt Teil der Corona-Verordnung Niedersachsens außer Kraft: . In: Legal Tribune Online, 30.04.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41469 (abgerufen am: 01.11.2024 )

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