Ob Citytax, Kulturförderabgabe oder Beherbergungssteuer - in etlichen Städten müssen Touristen für Übernachtungen zusätzlich an die Kommunen zahlen. Eine findige Steuer, die das BVerfG als verfassungskonform angesehen hat.
Städte und Gemeinden dürfen von Übernachtungsgästen eine sogenannte Übernachtungssteuer verlangen. Die örtlichen Steuern seien mit dem Grundgesetz vereinbar, teilte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am Dienstag mit. Die Richterinnen und Richter des Ersten Senats wiesen damit Verfassungsbeschwerden von Hoteliers aus Hamburg, Bremen und Freiburg zurück (Beschl. v. 22.03.2022, Az. 1 BvR 2868/15 u.a.).
Ob Citytax, Kulturförderabgabe, Beherbergungssteuer - der Name ist überall anders, das Grundprinzip gleich. Viele Kommunen verlangen von Reisenden eine zusätzliche Steuer für das Übernachten. Meist wird pro Person und Nacht ein bestimmter Anteil des Übernachtungspreises fällig, in der Regel um die fünf Prozent. Manchmal muss auch ein fester Betrag abgeführt werden, zum Beispiel drei Euro pro Nacht. Auch hier gibt es Varianten, in Hamburg etwa ist die Höhe nach dem Übernachtungspreis gestaffelt.
Die Suche nach zusätzlichen Einnahmequellen
Hintergrund ist, dass Hotels vor einiger Zeit bei der Umsatzsteuer entlastet wurden. Seit 2010 werden nur noch 7 statt 19 Prozent fällig - damals eine von mehreren umstrittenen Steuersenkungen für den großen Konjunkturschub, die in den öffentlichen Haushalten Milliardenlöcher rissen. Es dauerte nicht lange, bis Stadtkämmerer angesichts leerer Kassen eine neue Einnahmequelle ausgemacht hatten. Die Stadt Köln hatte 2010 als erste die Idee, von Übernachtungsgästen eine Abgabe zu kassieren. Seither haben etliche Städte das Modell aufgegriffen.
Wegen eines Grundsatzurteils des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) von 2012 sind "beruflich zwingende" Übernachtungen überall von der Steuer ausgenommen, die damit in erster Linie Touristen trifft. Die Unterkünfte haben die Aufgabe, das Geld einzuziehen und abzuführen.
Die Hotels sehen sich durch den Aufwand einseitig benachteiligt. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) weist darauf hin, dass vom Tourismus noch viele andere profitieren würden, etwa der Einzelhandel. "Eine isolierte Belastung der Hotellerie ist daher inhaltlich nicht zu rechtfertigen." Die Steuer mache vor allem den kleinen und mittleren Hotels zu schaffen: Diese würden die Abgabe oft selbst zahlen, um ihre Gäste nicht damit belasten zu müssen. Der Verband kritisiert außerdem den bürokratischen Aufwand.
Übernachtungssteuer ist Aufwandssteuer
Das BVerfG hat nun entschieden, dass Übernachtungssteuern mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Ein wesentlicher Streitpunkt war die Gesetzgebungskompetenz der Länder. Diese leitet der Erste Senat aus Art. 105 Abs. 2a S. 1 Grundgesetz (GG) ab. Danach können die Länder örtliche Verbrauchs- und Aufwandssteuern erheben, soweit sie nicht mit bundesgesetzlichen Steuern gleichartig sind. Hiermit schränkt der Verfassungsgesetzgeber also das Steuerfindungsrecht der Länder ein.
Diese Hürde konnten die Kommunen mit ihren Übernachtungssteuern überspringen. Die Karlsruher Richterinnen und Richter sehen in ihnen eine Aufwandsbesteuerung, nämlich für den Aufwand den ein Gast dadurch verursacht, dass er in einer örtlichen Unterkunft übernachtet. Die Steuer sei für den Konsumenten gedacht und werde indirekt durch die Betriebe eingezogen, heißt es in dem Beschluss. Insgesamt handelt es sich um ein Modell, dass weder mit einer flächenartigen Umsatzsteuer auf Landes- oder Kommunalebene, noch mit einer speziellen Bundessteuer gleichartig sei.
Direkte Erhebung bei den Gästen wäre nicht praktikabel
Unabhängig von der formellen Seite ist die Übernachtungssteuer für die Karlsruher Richterinnen und Richter auch materiell verfassungsgemäß. Entsprechende Eingriffe in die Schutzbereiche der Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG seien jedenfalls gerechtfertigt.
Die Beherbergungsbetriebe ständen in einer besonderen rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehung zum Steuergegenstand, weil sie einen maßgebenden Beitrag zur Verwirklichung des steuerbegründen Tatbestands der Übernachtung leisteten. Zudem würden sie auch nicht übermäßig betroffenen, weil sie die Beträge an die Gäste weitergeben könnten. Die Kommunen könnten die Betriebe auch als "Zahlstelle" heranziehen, weil "eine direkte Erhebung bei den Übernachtungsgästen nicht praktikabel wäre".
Bettensteuer auch für Geschäftsreisende möglich
Und das BVerfG geht noch weiter: Nach seiner Entscheidung darf die Bettensteuer auch von Geschäftsreisenden kassiert werden. Darauf hatten die Städte und Gemeinden bisher wegen des Urteils des BVerwG von 2012 verzichten müssen, das die Besteuerung "beruflich zwingender" Übernachtungen verbot. Karlsruhe korrigiert diese Rechtsprechung und lässt dem Gesetzgeber freie Hand.
Nach der aktuellsten Dehoga-Übersicht hatten Anfang 2019 insgesamt 30 Kommunen eine Bettensteuer. Die Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen die Hamburger Kultur- und Tourismustaxe, die Citytax in Bremen und Bremerhaven und die Freiburger Übernachtungssteuer.
Viele Städte und Gemeinden, die bisher keine Bettensteuer haben, dürften nun prüfen, ob sich für sie eine Einführung lohnt. Geschäftsreisenden kann es passieren, dass künftig auch sie zahlen müssen. Was wo sinnvoll sei, lasse sich nicht pauschal beantworten, sagt Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages. "Klar ist: Die Übernachtungssteuern leisten aktuell in vielen Städten einen wichtigen Beitrag zur Finanzierung der Tourismusinfrastruktur." Nach einer groben Schätzung des Deutschen Städte- und Gemeindebunds verschaffte die Bettensteuer den Kommunen vor Ausbruch der Corona-Pandemie Einnahmen von bundesweit rund 80 bis 100 Millionen Euro im Jahr. Und viele Städte und Gemeinden seien wegen ihrer schlechten Finanzlage gezwungen, jede mögliche Steuer zu erheben.
Die Hotels appellieren an die Kommunen, die Karlsruher Entscheidung "nicht als Ermunterung zu verstehen". Die Beherbergungsbetriebe seien wichtige Leistungsträger vor Ort und müssten sich nun zuallererst von der Pandemie erholen, mahnt der Dehoga mit dem Hotelverband Deutschland (IHA). "Da ist es absolut kontraproduktiv in Zeiten hoher Inflation und explodierender Energiepreise jetzt über neue Belastungen der Hotels und ihrer Gäste nachzudenken."
mgö/LTO-Redaktion
Mit Materialien der dpa
BVerfG: . In: Legal Tribune Online, 17.05.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/48469 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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